Zoff und Schlamassel zwischen den Regalen

WITTLICH. (peg) Kommunikation ist niemals Einbahnstraße. Wie sehr das insbesondere für die Jahrhunderte alte Randgruppensprache Jiddisch gilt, belegte Yaghoub Khoschlessan anhand eindrucksvoller Zahlen, Geschichten – und Witze.

Wo Menschen verschiedener Sprachen und Kulturen aufeinander treffen, wo sie längere Zeit mit- oder auch nur nebeneinander leben, beeinflussen sie sich immer gegenseitig. Längst wimmelt es in der deutschen Sprache von Anglizismen. Doch auch in früheren Zeiten haben sich Menschen der Worte aus anderen Sprachen bedient. Deutlich erkennbar ist das vor allem in der jiddischen Sprache, die stark von deutschem Vokabular geprägt ist. Aber auch umgekehrt: Schlammassel, Mischpoche, Tacheles, Tinnef, Schmiere stehen und pleite gehen: Sie alle sind aus der Umgangssprache des jüdischen Volkes entlehnt. Genau genommen, aus der Sprache der aschkenasischen Juden, die im nördlichen und östlichen Europa beheimatet waren und deren Nachkommen der Israel-Tourist leicht an ihren Löckchen, den schwarzen Mänteln, Gebetsriemen und Hüten erkennen kann. Wer es noch nicht wusste: Die korrekte Übersetzung des hebräischen Wortes Aschkenasen bedeutet "deutsch". Vieles gibt es zu lernen aus dieser Kultur, die im Deutschland nach Hitler noch immer nur ansatzweise wieder aufgelebt ist. Yoghoub Khoschlessan, selbst ein Jude persischer Abstammung, seit über 40 Jahren verheiratet mit einer "Schickse", nach dem jiddischen Ursprung also mit einer Frau, die nicht jüdischen Glaubens ist, wollte jedoch weder einen wissenschaftlichen Vortrag halten noch seine Zuhörer missionieren. Einen Einblick der eher angenehmen Sorte zu bieten hatte er sich vorgenommen, gewürzt mit allerlei Witzen und Anekdoten aus der jüdischen Lebens- und Gedankenwelt, die in ihrer Vielfalt fasziniert. Vorgetragen auf die unnachahmliche Weise der Orientalen, die das Erzählen traditionell als angesehene Kunstform pflegen, begeisterte der Arzt im Ruhestand seine knapp 100 Zuhörer, die gerne vom mitgebrachten Houmous und Tehina auf Matzen und Mohnbrötchen kosteten. Warm und weich kommt es daher, das Jiddische, was daran liegen mag, dass es von einfachen Leuten gesprochen wurde und darum auf abstrakte Begriffe verzichten kann. Liebevolle Kose- und deutliche Schimpfworte finde man um so häufiger, so Khoschlessan. Längst sei das wortmalerische Vokabular salonfähig geworden. Viele Begriffe finden sich in der heutigen Medienwelt

In der heutigen plakativen Medienwelt benutzten Journalisten Worte wie Tacheles, Zoff, dufte, Stuss, Ganove oder Zocker besonders gerne in Titelzeilen. Außer einem kleinen Kreis von Sprachwissenschaftlern erkenne wohl niemand in Formulierungen wie "eine Meise haben" oder "etwas für lau bekommen" die jiddischen Wurzeln. Jiddisch hat im Übrigen auch die Gaunersprache Rotwelsch und die Sprache der Händler, das Jeenische, stark beeinflusst. Begleitet haben Khoschlessans Vortrag nicht nur drollige und deftige Witze wie der vom Rabbi von Lublin, der sich verzweifelt an seinen Gott wandte. "Ausgerechnet mein Sohn ist Christ geworden." "Du, mach dir nichts draus, meiner auch", wurde er getröstet. "Und was hast du gemacht?" "Ich habe ein neues Testament geschrieben." Begleitet hat den leidenschaftlichen Erzähler auch die nicht weniger leidenschaftliche Musik einer wahren "Queen of Klezmer" - diesen Namen hatte sie bei einem Festival von Edinburg erhalten: Irith Gabriely brachte ihrerseits etliche Witze mit. Wer das Buch "Schlamassel" von Yaghoub Khoschlessan erwerben möchte, bekommt es in der Buchhandlung Rieping, Burgstraße.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort