Ganz genau hinsehen

TRIER. Welche Schule für mein Kind? Vor dieser Frage stehen derzeit die Eltern aller Viertklässler. Bei einer Telefonaktion des Trierischen Volksfreunds am kommenden Dienstag von 17 bis 19 Uhr helfen Fachleute bei der Entscheidung.

Hauptschule,Realschule oder Gymnasium - mit den Halbjahreszeugnissen habendie Viertklässler Empfehlungen für eine dieser Schulartenerhalten. Verpflichtend sind die Ratschläge nicht. Viele Elternstehen damit vor schwierigen Entscheidungen. "Das häufigste Problem ist das, dass Eltern oder die Kinder selbst eine andere Schule wählen wollen, als die Grundschule empfohlen hat", sagt Annette Müller-Bungert, Diplom-Psychologin bei der Schulpsychologischen Beratungsstelle in Trier. "Wichtig ist in solchen Fällen, ganz genau hinzuschauen", sagt sie. "Denn Über- wie Unterforderung haben negative Folgen." Man müsse sehen, wie die Noten des Kindes zustande gekommen seien, was es leisten könne und wolle. "Es ist ein Unterschied, ob ein Kind aufs Gymnasium will, weil seine Freunde dorthin gehen, oder aus eigener Motivation", sagt Müller-Bungert. Generell könne man sagen, dass die Schulnoten, aus denen sich die Empfehlung ergebe, nicht immer das Potenzial widerspiegelten.

Auch Raimund Mirz, der als Leiter der gemeinsamen Orientierungsstufe für Fünft- und Sechstklässler von Friedrich-Spee-Gymnasium und der Realschule am Mäusheckerweg die Beurteilungen von 40 Grundschulen überblickt, gibt zu bedenken: "Noten sind relativ."

Rolf Neumann, Schulleiter der Trierer Grundschule Reichertsberg, erklärt, wie die Empfehlungen zustande kommen: "Die Klassenlehrer beziehungsweise Klassenkonferenzen legen die Zeugnisnoten fest, und daraus ergibt sich die Empfehlung. Es ist genau festgelegt, bei welchen Noten welche Schulart empfohlen wird." Allerdings fließen auch Beurteilungen etwa über Arbeitshaltung und Selbstständigkeit der Schüler ein.

Neumann rät Eltern, sich an die Empfehlungen zu halten. "Die Verlässlichkeit ist sehr groß." Rainer Heimig, Leiter der Grund- und Regionalen Schule Waldrach/Osburg, pflichtet ihm bei: "Es ist ein großes Ärgernis, wenn Eltern einem nicht glauben." Zum neuen Halbjahr seien rund 20 Schüler höherer Schulen an seine Einrichtung zurück gekommen, berichtet er. Oft sei es schwierig, sie zu integrieren. Natürlich komme es vor, dass Schüler mit Haupt- oder Realschulempfehlung es auch an der jeweils höheren Schulart schafften, sagt Heimig. "Aber das sind Einzelfälle, Ausnahmen."

Auch Horst Kruse, Sprecher des regionalen Elternbeirats und Mitglied im Landeselternbeirat, hält "sehr viel" von den Empfehlungen der Grundschullehrer. "Sie haben das Kind schließlich in der Regel vier Jahre lang begleitet." Er rät: "Eltern sollten diese Empfehlungen sehr ernst nehmen und nur in wirklich begründeten Fällen davon abweichen." Was sind "begründete Fälle"? "Häufige Lehrerwechsel zum Beispiel", antwortet Kruse, "oder dass ein Lehrer nicht aufgeschlossen an die Kinderherangeht."

Orientierungsstufen-Leiter Mirz warnt eindringlich vor den Folgen einer Überforderung: Habe ein Kind "schlechte Noten auf breiter Front", könne das zu so viel Frust führen, dass es gar nicht mehr "beschulbar" sei. Manchmal gingen solche Schüler irgendwann ohne Abschluss ab. Auch Schulleiter Heimig sagt: "Es ist der falsche Weg zu sagen: Wir probieren es erst einmal ganz oben und stufen notfalls wieder ab. Dabei entsteht ganz, ganz viel Frust."

Heimigs Kollege Neumann verweist darauf, dass auch Hauptschüler über das zehnte Schuljahr die Chance haben, an ein Gymnasium zu wechseln. Er bricht eine Lanze für die Hauptschule: Es gebe Schüler, die von den Noten her zwar auf eine höhere Schule gehen könnten, aber am besten an einer Hauptschule aufgehoben seien. "Sensible Kinder sind manchmal auf die Hilfen angewiesen, die die Hauptschule bietet. Sie gehen leicht unter, wenn es nur darum geht, gut zu sein."

Diplom-Psychologin Annette Müller-Bungert, Orientierungsstufen-Leiter Raimund Mirz, die Schulleiter Rolf Neumann und Rainer Heimig sowie Elternvertreter Horst Kruse stehen den TV -Lesern am Dienstag von 17 bis 19 Uhr zu Fragen rund um das Thema "Welche Schule für mein Kind?" zur Verfügung. Die jeweiligen Telefonnummern gibt es in der Dienstags-Ausgabe.

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