"Prümer Zustände gibt's überall"

TRIER. Länger arbeiten, mehr Stress, weniger Personal: Die rheinland-pfälzische Polizei klagt über die zunehmende Belastung der knapp 8800 Polizisten im Land. Die Gewerkschaften befürchten, dass sich die Situation noch verschlechtern wird.

Not macht erfinderisch: Wenn die Beamten der Polizeiinspektion Prüm abends jemanden festnehmen, der die Nacht in der Zelle verbringen soll, wird der Bösewicht nach Bitburg überführt und morgens wieder abgeholt. "Gefangenen-Tourismus", heißt das im internen Jargon der Beamten. Der Grund für das Zeit raubende Hin- und Herkutschieren ist die schlechte Personalausstattung der Prümer Inspektion: Gerade mal eine Streifenwagen-Besatzung und ein Beamter für die Wache schieben dort in der Regel nachts Dienst - "angesichts von 38 Grenzübergängen und der riesigen Fläche ein Witz", meinte unlängst der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Billen.Die Situation in Prüm ist kein Einzelfall. Nach internen Berechnungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), die dem TV vorliegen, sind von den 15 Dienststellen im Polizeipräsidium Trier elf unterbesetzt. Einige Inspektionen kämen gerade mal auf 70 Prozent der Mindeststärke (35 Beamte) für einen funktionierenden Wechsel-Schichtdienst, so die DPolG. Fazit der Gewerkschafter: "Prüm ist auf jeder Dienststelle."Zum gleichen Ergebnis kommt auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP): "Prüm ist überall", sagt GdP-Bezirkschef Josef Schumacher unter Verweis auf Personaldefizite in Saarburg, Schweich, Hermeskeil, Morbach, Bernkastel-Kues, Wittlich, Daun, Bitburg oder Trier. Nach Schumachers Berechnungen fehlen im Bereich des Polizeipräsidiums 90 Beamte. Landesweit seien es sogar 1000.Den Rückgang der Polizeistärke in Rheinland-Pfalz kritisiert die Deutsche Polizeigewerkschaft: 1996 schoben 800 Beamte mehr Dienst als heute. "Wir haben die geringste Polizeidichte aller Bundesländer und sind sogar unter den Stand von 1991 gerutscht", sagt CDU-Landeschef Christoph Böhr. Seine Forderung deckt sich mit der der Gewerkschaften: Um der Personalmisere Einhalt zu gebieten, müssten jährlich deutlich mehr als die vorgesehenen 200 Polizeianwärter eingestellt werden.Im auf Sparsamkeit getrimmten Mainzer Innenministerium reagiert man gelassen auf das Wehgeschrei der Basis. "Das Polizeipräsidium Trier wurde bei den vergangenen Personalzuweisungen angemessen berücksichtigt", sagt Sprecher Eric Schaefer. Die Personalausstattung sei ausreichend, um die polizeilichen Aufgaben zu erfüllen. Zudem ist laut Schaefer eine Verbesserung der Situation absehbar, da in den nächsten drei Jahren 750 Polizeianwärter ihre Ausbildung beendeten.Ein Loch stopft das andere

Genau das bezweifeln die Gewerkschaften. Ihrer Einschätzung nach wird sich die Personalsituation bei der rheinland-pfälzischen Polizei keineswegs verbessern, im Gegenteil. Hinzu kommen laut DPolG eine starke Überalterung der Beamten ("Opa-Polizei") und immer mehr Polizisten, die wegen chronischer Erkrankungen nicht mehr für den aufreibenden Schichtdienst geeignet sind. Angesichts dessen mutet es fast schon wie ein Wunder an, dass die Aufklärungsquote von Straftaten in den letzten fünf Jahren (um die 60 Prozent) annähernd konstant geblieben ist und im Bereich des Polizeipräsidiums Trier sogar noch regelmäßig über dem Landesdurchschnitt lag. "Das zeigt, wie motiviert unsere Polizisten trotz der hohen Belastung sind", sagt GdP-Mann Schumacher.Dass auch das Mainzer Innenministerium offenbar nach der Devise "Not macht erfinderisch" handelt, zeigte sich unlängst in Prüm, als es nach Protesten hieß, die Inspektion werde um drei Beamte aufgestockt. "Zwei waren ohnehin vorgesehen, ein Beamter kam zusätzlich - der allerdings einer anderen Dienststelle fehlte", heißt es im internen Vermerk der DPolG.Bei der Polizei stopft ein Loch das andere.

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