Diogenes ist der beste Vogel im Schlag

Osann-Monzel · Der Winzer und Schnapsbrenner Martin Haubst aus Osann-Monzel hat ein außergewöhnliches Hobby. Er züchtet Brieftauben und schickt sie im Sommer zu Wettbewerben auf die Reise. Besonders stolz ist er auf Diogenes.

Diogenes ist der beste Vogel im Schlag
Foto: Winfried Simon (sim) ("TV-Upload Simon"

Osann-Monzel. Martin Haubst öffnet die Klappe seines Taubenschlages. Es dauert keine zehn Sekunden, da sitzt schon der erste Vogel auf dem Brett, wartet einen Augenblick, um dann mit kräftigen Flügelschlägen ins Freie zu fliegen. Weitere Artgenossen folgen. In wenigen Minuten hat sich ein kleiner Vogelschwarm gebildet, der über dem Ort kreist. Jeden Morgen gegen 7 Uhr in der Frühe lässt Haubst seine Tiere raus und holt sie eine Stunde später mit einem Pfiff wieder zurück. Sie sollen sich bewegen, sie sollen ihre Fitness trainieren, sie sollen Medaillen gewinnen.Von Frankreich bis Osann


Der 58-Jährige züchtet seit seinem 17. Lebensjahr Brieftauben, und er nimmt mit ihnen an Wettbewerben teil. Die Preisflüge beginnen Anfang Mai und gehen bis Ende Juli. Dann sind die Jungtauben an der Reihe, die bis Ende September um Punkte und Medaillen fliegen.

Haubst ist Vorsitzender des Brieftaubenzuchtvereins Mittelmosel-Osann. Acht Mitglieder gehören ihm an. Der Verein wiederum gehört zur Reisevereinigung Südeifel-Trier, die die Wettbewerbe ausrichtet. Während der Wettbewerbssaison von Mai bis Juli treffen sich die Brieftaubenzüchter mit ihren "Sportlern" jeden Samstagmorgen an der Hasenmühle in Wittlich, wo ein Speziallastwagen wartet. Er bringt die Tauben an einen Ort irgendwo in Westfrankreich, rund 500 bis 700 Kilometer entfernt. Am frühen Sonntagmorgen öffnen sich die Klappen - die etwa 200 Tauben wollen dann so schnell wie möglich wieder nach Hause - zu ihrem Heimatschlag, zu ihren Partnerinnen und zu ihrem Nachwuchs. Gegen Abend warten die Züchter sehnsüchtig auf ihre Lieblinge. Haubst: "Das ist eigentlich der interessanteste und schönste Moment dieses Hobbys. Wenn meine besten Tauben zurückkommen, erkenne ich sie schon in der Luft." Die Schnellsten erhalten Punkte, am Ende der Saison entscheidet sich dann die Meisterschaft - wie in der Fußballliga. Jede Taube hat einen Mikrochip am Fuß. Erreicht sie ihren Heimatschlag, muss sie durch eine Schleuse, wo ein elektronisches System die Ankunftszeit und die zurückgelegten Flugmeter pro Minute registriert. Ferner tragen die Tauben einen Fußring mit der Telefonnummer des Eigentümers. Verirrte Brieftauben können so im Internet gemeldet werden. Nicht alle Tauben erreichen ihre Heimat. Sie verirren sich, werden Opfer eines Raubvogels oder fliegen gegen Hochspannungsleitungen.
Der Brieftaubensport ist zeitaufwendig und nicht billig. Täglich füttert Haubst die Vögel mit einem fertigen Körnergemisch aus Mais, Weizen, Gerste, Sonnenblumenkernen, Raps und Hafer. Für den Transport mit dem Taubenlaster während der Saison zahlt er 300 Euro.

Seine beste Taube im Stall ist zurzeit Diogenes. Das Männchen - Reisevögel sind ausschließlich Männchen - ist gerade erst drei Jahre alt und hat schon eine Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Im vergangenen Jahr war er der beste Vogel der Reisevereinigung Südeifel-Trier, in diesem Jahr der zweitbeste.
Je nach Windverhältnissen erreichen die Brieftauben 60 bis 120 Stundenkilometer.
Fünf Taubenschläge hat Haubst hinter seinem Haus. Einen für die Zuchttauben, einen für die Männchen, genannt Witwer, einen für Weibchen und zwei für die Jungen.
Haubst weiß, dass der Brieftaubensport nicht unumstritten ist. Sogar Fälle von Doping sind bekannt. Mit Anabolika, Kortison und anderen Medikamenten wurden schon Tauben auf Höchstleistung getrimmt. Seit vielen Jahren gibt es daher Dopingtests, vor allem die Spitzentauben werden kontrolliert.
Haubst ist nicht so fanatisch. "Verbotene Substanzen kommen für mich nicht infrage", sagt er. Er verkauft auch keine Brieftauben. Diogenes ist inzwischen wohl 1000 Euro wert. Doch Haubst sagt: "Der geht mir nicht weg. Niemals."Extra

 Eine Brieftaube landet auf der Hand von Martin Haubst, um etwas Futter zu ergattern.

Eine Brieftaube landet auf der Hand von Martin Haubst, um etwas Futter zu ergattern.

Foto: Winfried Simon (sim) ("TV-Upload Simon"

Brieftauben dienten früher dazu, Nachrichten über große Entfernungen auszutauschen. Die Nachricht wurde auf einem zusammengerollten Zettel in einem Behältnis am Fuß oder Rücken der Taube befestigt. Die Tiere wurden so gezüchtet, dass sie über Entfernungen von bis zu 1000 Kilometern zu ihrem Nistplatz zurückfanden. Heute haben Brieftauben schon lange nichts mehr mit Briefen zu tun. Sie werden vielmehr als Sporttauben für Wettkämpfe eingesetzt. Je nachdem wie fit und alt die Tauben sind, können sie zwischen 100 und 1000 Kilometern am Stück fliegen. Für 550 Kilometer beispielsweise brauchen sie ungefähr zehn Stunden. Sie können aber immer nur in eine Richtung fliegen: immer von einem bestimmten Ort zu ihrem Taubenschlag zurück. sim

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