Geldregen für deutsche Warhol-Bilder: „Triple Elvis” und „Four Marlons” erzielen bei Versteigerung in New York zusammen 150 Millionen Dollar

New York · Es hat geklappt für NRW, das erwartete Ziel wurde sogar übertroffen: Gut 150 Millionen Dollar haben zwei Warhol-Bilder aus Deutschland in New York gebracht. Und doch ist nicht jeder glücklich darüber.

Westspiel hat hoch gepokert - und die Rechnung ist aufgegangen. Der marode Casinobetreiber hat die Filetstücke seiner Kunstsammlung auf den internationalen Kunstmarkt geworfen. Die zwei frühen Bilder von Andy Warhol hatten die Westdeutschen Spielbanken Ende der 1970er Jahre für zusammen 185.000 Dollar gekauft. Jetzt erzielten die Werke bei Christie's mit dem Aufschlag für das Auktionshaus mehr als 150 Millionen Dollar - umgerechnet gut 120 Millionen Euro.

Nach nicht einmal zehn Minuten war alles vorbei. Etwa 108 Millionen Euro davon fließen nun von New York nach Duisburg in die Kasse des Casinobetreibers Westspiel. Genauer gesagt: Die Millionen muss Westspiel ans Land Nordrhein-Westfalen überweisen, in dessen indirektem Besitz sich das Unternehmen befindet. Später bekommt es aber einen Großteil zurück.

Elvis Presley und Marlon Brando haben Westspiel gerettet. Die beiden Siebdrucke "Triple Elvis" und "Four Marlons" aus den 1960er Jahren waren die Spitzenwerke bei der Herbstauktion von Christie's. Die Spannung dort war mit Händen zu greifen. Die Versteigerung der ersten acht Bilder schien fast nur Vorspiel zu sein. Dann kam "Triple Elvis".
Für das große silbrige Bild mit einem dreifachen Elvis Presley, der mit einem Revolver auf die Bieter zielte, flogen anfangs die Millionen durch den Saal, dann tröpfelte es. Auktionator Jussi Pylkkanen beugte sich immer wieder nach links und rechts, rechts und links, suchte nach Bietern. Schließlich schlug er bei 73 Millionen Dollar zu. Mit dem Aufschlag für Christie's muss der Käufer 82 Millionen zahlen. Das Bild mit dem vierfachen Kinostar Marlon Brando, wie "Triple Elvis" gut zwei Meter hoch und 1,70 Meter breit, brachte fast 70 Millionen Dollar.

Selten war in Deutschland eine Versteigerung von Kunst so umstritten wie diese. Ein indirekt dem Land Nordrhein-Westfalen gehörendes Unternehmen verkauft seine millionenschwere Kunst, um sich zu sanieren. Das ist ein Novum für das Land und könnte Schule machen. Ein Sturm der Entrüstung zog durch die Kunstszene bis nach Berlin. Nach Ansicht des Deutschen Kulturrats ist nun die "Büchse der Pandora geöffnet". "Wir haben große Sorge, dass jetzt andere notleidende Kommunen oder Länder diesem Beispiel folgen könnten", sagte Geschäftsführer Olaf Zimmermann.
Die Landesregierung in Düsseldorf versichert, dass Kunst aus Museen des Landes und der Kommunen unantastbar sei. Bei den Warhol-Siebdrucken sei die Situation eine andere. Sie seien schließlich im Besitz eines wirtschaftlich selbstständig agierenden Unternehmens gewesen. Damit sich die Geschichte aber nicht wiederholt, hat das NRW-Kulturministerium vorsorglich eine Aufstellung aller Kunstwerke in Unternehmensbesitz des Landes angefordert. Das Tafelsilber ist aber mit den Warhols wohl erst mal vom Tisch. Sie waren mit Abstand die wertvollsten Kunstwerke.

Pro- und Kontra-KOMMENTAR

Kunst ist Kommerz
Pro
Sarah München

"Gute Geschäfte sind die beste Kunst." Das war das Motto von Andy Warhol. Kunst ist zur Ware geworden. Längst sind ideelle und künstlerische Werte hinter den wirtschaftlichen Wert eines Bildes getreten. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, so einfach ist das. Und kaum ein Künstler wusste das besser als Andy Warhol. Ohne Bezahlung gab es auch keine Kunst. Die Welt des Konsums, Alltagskunst - das waren seine Themen. Der bekannteste Vertreter der Pop-Art fertigte Kunst als Massenware und propagierte die Anti-Kunst. Für Warhol war Kunst Kommerz. Warum sollten sich daran nur ohnehin schon reiche Kunstmäzene bereichern? Wieso sollte denn nicht die Allgemeinheit profitieren? Die Versteigerung wäre ganz im Sinne Andy Warhols gewesen, der einmal sagte: "Nach der Kunst kommt die Kunst, Geschäfte zu machen. Ich habe als Pop-Art-Künstler angefangen und will als Geschäfts-Künstler aufhören.”
s.muenchen@volksfreund.de

Kunst ist Kultur
Kontra
Oliver Haustein-Teßmer

Teure Kunst versteigert, um den Haushalt aufzubessern und Verluste in Spielcasinos auszugleichen: Was Nordrhein-Westfalen da mit zwei Warhol-Bildern gemacht hat, ist schändlich. Genauso gut könnte das klamme Trier Bücher aus der Schatzkammer der Stadtbibliothek verramschen, statt sie ab diesem Wochenende der Öffentlichkeit neu zu präsentieren. Und all die van Goghs, Picassos oder Gerhard Richters in deutschen Museen: Könnte man auch noch verticken.
Aber das ist zu billig. Denn warum gibt es öffentlich zugängliche Kunstwerke? Sie gehören der Allgemeinheit, regen zum Nachdenken, zu Debatten an, erfreuen oder entsetzen, und das öffentlich und nicht im Salon irgendeines Multimillionärs. Selbst wenn die Sammelwut der Superreichen aus Kunst Kommerz macht: Das ist kein Grund, für ein paar Euro mehr in der Staatskasse den kulturellen Anspruch zu verwerfen.
oht@volksfreund.de

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