Gemüse vom eigenen Bauern - Solidarische Landwirtschaft wächst

Weimar (dpa) · Bio ist nicht gleich bio: Öko-Äpfel aus Neuseeland im Supermarkt haben mit Umweltfreundlichkeit wenig zu tun. Manche Menschen beziehen ihr Obst und Gemüse lieber direkt vom Bauern und schließen sich zu Hofgemeinschaften zusammen.

 Solidarische Landwirtschaft: Das ist auf dem Gemeinschaftshof Pente im Landkreis Osnabrück möglich. Foto: Friso Gentsch

Solidarische Landwirtschaft: Das ist auf dem Gemeinschaftshof Pente im Landkreis Osnabrück möglich. Foto: Friso Gentsch

Gammelfleisch, Dioxin-Eier, Schimmel-Mais: Die Lebensmittelskandale bringen manche Menschen dazu, ihr Gemüse und Fleisch direkt beim Bio-Bauern statt im Supermarkt zu kaufen. Das Interesse an alternativen Wirtschaftsformen sei gestiegen, sagte die Koordinatorin des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft (Solawi), Stephanie Wild, in Weimar. Die Zahl der im Netzwerk organisierten Höfe habe sich seit 2009 mehr als vervierfacht. Aktuell gehören bundesweit 43 Solidarhöfe und etwa 40 Initiativen in der Gründungsphase dazu.

Beim Modell der Solidarischen Landwirtschaft verpflichten sich Menschen aus der Region für ein Jahr, einem bestimmten Hof Gemüse, Obst oder Fleisch abzunehmen. Der Landwirt ist aufgrund der im Voraus gezahlten Beiträge von meist rund 100 Euro pro Abnehmer unabhängig von Preisschwankungen oder Ernteausfällen. In den Kisten, die die Mitglieder jede Woche abholen können, liegen Produkte der Saison. So gibt es beispielsweise im März keine Äpfel mehr.

„Das ist ein Modell, das Zukunft hat“, sagte die Sprecherin des Verbands für ökologischen Anbau Demeter, Renée Herrnkind. Sowohl bei den Verbrauchern als auch bei den Erzeugern gebe es enormes Interesse. In Niedersachsen haben sich bisher neun Solawi-Höfe und vier Initiativen gegründet. Die Mitglieder arbeiten regelmäßig auf den Feldern mit und tauschen sich über die Verarbeitung von Kohl, Mangold und Co. aus. Dabei lernen sie beispielsweise, dass sich aus Schwarzem Rettich weit mehr herstellen lässt als Hustensaft.

Die Gemeinschaftsgärtnerei Wildwuchs in Gehrden bei Hannover hat sogar ein eigenes Rezepte-Blog. In einer ehemaligen Baumschule werden auf 5,4 Hektar rund 40 Gemüsekulturen angebaut. Auch Streuobstwiesen gehören zum Hof. Die 85 Mitglieder dieser Solawi-Gemeinschaft - von der Studenten-WG bis zum Rentner-Ehepaar - zahlen monatlich 82,50 Euro, manche freiwillig auch mehr.

Wildwuchs-Mitglied Jürgen Zupp (42) kommt nicht nur zu den monatlichen Arbeitseinsätzen, sondern hilft auch während seines Urlaubs beim Unkrautzupfen. „Seit ich mich vegan ernähre, fühle ich mich besser“, sagte der Bankangestellte. Die Beschäftigung mit Massentierhaltung habe ihn zur Solidarischen Landwirtschaft gebracht. Seine selbst hergestellten Kräuterdrinks nimmt er mit zur Arbeit. Auch wenn Kollegen die grünen Smoothies belächeln, Zupp will vom Industrie-Essen nichts mehr wissen.

Das Angebot an heimischen Bio-Produkten bleibt weit hinter der Nachfrage zurück, weshalb Supermarkt-Regale mit Bio-Äpfeln aus Neuseeland oder Bio-Kartoffeln aus Chile gefüllt sind. Den Solawi-Mitgliedern geht es um umweltfreundliche, kurze Transportwege und darum zu vermeiden, dass Lebensmittel weggeworfen werden. „Wir verstehen uns als politische Bewegung“, betonte Wilde. Die Umstellung konventioneller Betriebe auf Bio werde nicht genügend unterstützt, kritisierte die Netzwerk-Koordinatorin.

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