Hürden vorm Wohnen in eigenen Wänden

Berlin · Wenn man als Eigentümer einer Immobilie in seine eigenen vier Wände einziehen will, kann man Eigenbedarf anmelden. Doch so einfach ist das nicht. Die Gerichte berücksichtigen auch oft Mieter-Interessen.

Berlin. Auf den ersten Blick ist alles ganz einfach: Wenn jemand eine Wohnung oder ein Haus besitzt, dann sollte es ihm auch möglich sein, nach Wunsch darin zu wohnen. Auf den zweiten Blick wird das alles aber schon komplizierter: Denn was ist, wenn genau in dieser Immobilie bereits andere Menschen wohnen, die das Objekt im Vertrauen auf eine langfristige Nutzung gemietet haben? Wessen Rechte überwiegen dann? Hier einige Gerichtsurteile zu dem Thema:
Grundsätzlich gilt die Regel, dass betagte Mieter, die oft schon sehr lange in dem Objekt leben, einen besonderen Schutz genießen. Sie können, je kränker sie sind, umso weniger gezwungen werden, ihre angestammte Heimat zu verlassen. Doch das Alter ist nicht immer ein zwingendes Argument, wie zwei gegenlautende Urteile beweisen. Das Amtsgericht Dieburg (Az.: 20 C 29/12) betrachtete es zwar als unzumutbar, einer 83-jährigen Frau wegen Eigenbedarfs zu kündigen. Die Betroffene konnte zwei ärztliche Gutachten vorlegen, wonach sie in ihrer Bewegungsfähigkeit so eingeschränkt sei, dass Umzug und Neubeginn an einem anderen Ort kaum vorstellbar seien. Erschwerend kam hinzu, dass die neue Eigentümerin bereits beim Erwerb gewusst hatte, dass die Immobilie seit vielen Jahren von einer älteren Dame bewohnt wird.
Einem ein Jahr älteren, also 84-jährigen Mieter wurde jedoch genau das zugemutet, was man im vorigen Fall für unmöglich gehalten hatte. Der Mann wohnte seit vier Jahrzehnten in einer 68 Quadratmeter großen Wohnung und sollte weichen, weil eine vierköpfige Familie aus ihrer bisherigen 54 Quadratmeter großen Mietwohnung in die eigene Immobilie umziehen und sich so wenigstens ein klein wenig räumlich vergrößern wollte. Das Landgericht Frankfurt am Main (Az.: 2-11 S 110/11) stimmte dem zu. Der Mieter sei trotz mancher Behinderungen noch ausreichend mobil für einen Umzug. Man dürfe bei alledem die Entwicklungsmöglichkeiten für die beiden Kinder der Eigentümer nicht aus dem Blick verlieren, so die Richter.
Option Alternativ-Wohnung


Wer fällt überhaupt unter den Personenkreis, zu dessen Gunsten wegen Eigenbedarfs gekündigt werden kann? Bei Kindern und Eltern des Eigentümers gibt es keine Zweifel, bei ihm selbst ohnehin nicht. Aber auch Nichten und Neffen zählen nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Az.: VIII ZR 159/09) dazu. Zwar liefere der Gesetzgeber keine genauen Vorgaben, heißt es in dem Urteil, aber "die generelle Einbeziehung von Nichten und Neffen in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen" auch in anderen Rechtsgebieten spreche deutlich dafür - zum Beispiel das Zeugnisverweigerungsrecht, das die Geschwisterkinder besäßen.
Wenn der Eigentümer eine Hausangestellte oder ein Au-Pair-Mädchen in seiner vermieteten Wohnung unterbringen will, dann ist das als berechtigtes Interesse zu bewerten. Der Betroffene hatte das Objekt erst kurz zuvor im Zuge einer Umwandlung in Wohnungseigentum erworben. Die Mieter waren deswegen der Meinung, es gelte hier die gesetzliche Sperrfrist, wonach eine Eigenbedarfskündigung erst nach Ablauf von zehn Jahren möglich sei. Der BGH (Az.: VIII ZR 127/08) stellte jedoch fest, es handle sich um ein berechtigtes Kündigungsinteresse jenseits des klassischen Eigenbedarfs.
Läuft eine Kündigung wegen Eigenbedarfs, dann hat der Vermieter es anzuzeigen, falls eine ihm gehörende vergleichbare Wohnung zwischenzeitlich frei wird. Sie muss dem gekündigten Mieter als Alternative angeboten werden. In jedem Falle sei das dann nötig, wenn das Objekt in derselben Wohnlage oder sogar im selben Haus liegt, entschied der BGH (Az.: VIII ZR 78/10). Hier hatte die ursprüngliche Wohnung eine Größe von 45 Quadratmetern, die frei gewordene Immobilie im selben Haus war 60 Quadratmeter groß. Deswegen könne man durchaus von Vergleichbarkeit der Immobilien sprechen, hieß es im Urteil.
Recht von Gesellschaftern


Wenn eine eigens dafür gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) eine Immobilie kauft, um später Wohnraum für die einzelnen Mitglieder zu schaffen, dann darf sie wegen Eigenbedarfs kündigen. Hier hatten acht Gesellschafter ein Anwesen in München erworben. Noch vor der Umwandlung in Wohneigentum kündigte die Gesellschaft den Mietern, die das nicht akzeptierten. Der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 231/08) entschied allerdings, dass hier die geltenden Schutzvorschriften nicht umgangen worden seien. red

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