Ausbildungsmesse am 9. Oktober bietet Firmen Plattform - Vor der Integration von Flüchtlingen steht die Sprache

Trier · Demografischer Wandel und der Reiz des Studiums lassen die Zahl der abgeschlossenen Lehrverträge in der Region seit Jahren sinken. Gerade die Nahrungsmittelbranche und Gastronomie benötigt Nachwuchs. Ein Weg könnte die Akquise von Flüchtlingen sein.

 Die Ausbildungsmesse „Dein Tag, Deine Chance" hat vor einem Jahr Hunderte junge Menschen angelockt. TV-Foto/Archiv: Rolf Lorig

Die Ausbildungsmesse „Dein Tag, Deine Chance" hat vor einem Jahr Hunderte junge Menschen angelockt. TV-Foto/Archiv: Rolf Lorig

Foto: ROLF LORIG (g_wirt )

Der Arbeitsmarktbericht zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres spricht eine eindeutige Sprache: Rund 900 offenen Ausbildungsstellen stehen nur 425 Bewerber gegenüber. Rein statistisch gesehen könnte damit nicht mal jede zweite Stelle besetzt werden. Auch wenn sich in den kommenden Wochen noch einiges an den Zahlen verändern kann, hat die Region Trier nicht genug Nachwuchs für Handel, Handwerk und Industrie . "Immer mehr Betriebe klagen, dass sie keine oder nur sehr wenige, teils ungeeignete, Bewerber bekommen", sagt Petra Kollmann von der Handwerkskammer (HWK) Trier.

Ab 2016 Flüchtlinge als Bewerber

Vor allem im Lebensmittelhandwerk seien noch Lehrstellen frei, aber auch bei Friseuren, KFZ-Mechatronikern und Metallbauern. Gleichzeitig wirbt sie dafür, dass die Gewerke sich besser präsentieren, etwa zur nächsten Ausbildungsmesse (siehe weiter unten).

Auch Ulrich Schneider, Geschäftsführer Ausbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier berichtet von einem Rückgang bei den Ausbildungsverhältnissen. So konnte in der Region Trier im vergangenen Jahr ein Drittel der Betriebe im IHK-Bereich seine Lehrstellen nicht besetzen. "Unsere Unternehmen suchen händeringend nach Fach- und Nachwuchskräften", sagt er und verweist auf die Vielzahl junger Flüchtlinge "im typischen Ausbildungsalter". Im Handwerk häufen sich laut Carl-Ludwig Centner, Leiter der Akademie Weiterbildung bei der HWK, die Anfragen, Flüchtlinge einzustellen. Schon jetzt würde ein Dutzend unbegleitete Flüchtlinge im kürzlich gestarteten Coaching-Projekt zusammen mit der Arbeitsagentur beraten und für eine Einstiegsqualifizierung fit gemacht. "Ich halte die Chancen im regionalen Handwerk für immens", sagt er. Vor allem die "enorme Quantität begabter junger Leute" müsse zu Integration motivieren. Er geht davon aus, dass im Frühjahr, wenn die ersten ausbildungsreif sind, viele vermittelt würden.

Schneider verweist darauf, "dass dem systematischen Spracherwerb und einer umfassenden Berufsvorbereitung eine Schlüsselfunktion zukommen". Und auch laut Center muss "das Sprachproblem gelöst werden, "wenn nötig während der Ausbildung". Denn bislang gibt es zwar viele ehrenamtliche, caritative und vom Land geförderte Sprachkurse. Doch erst in sechs Bundesländern dürfen Asylbewerber an staatlich geförderten Sprachkursen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge teilnehmen, was eine Vermittlung hemmt (siehe weiter unten).

Edeltraud Nikodemus, stellvertretende Leiterin der Arbeitsagentur Trier warnt davor, "zu schnell einfach etwas zu machen." Einen afghanischen Agraringenieur kurzfristig als Produktionshelfer zu vermitteln, helfe zwar dem Flüchtling und dem Arbeitsmarkt, langfristig blieben Kenntnisse und Fähigkeiten jedoch ungenutzt. "Die Flüchtlinge sind eine Chance für uns - uneingeschränkt", sagt sie. So stehe der Spracherwerb vor der Jobvermittlung. "Wenn dann ein junger Mensch über die Ausbildung integriert wird, ist das der Königsweg." Wie Centner geht auch Nikodemus davon aus, dass sich die Zahl der Bewerber am Ausbildungsmarkt 2016 erstmals um zahlreiche Flüchtlinge erhöhen werden. "Dann werden sie erstmals wahrnehmbar und aktive Bewerber werden." Ausbildung jetzt!

Wer schon bald seinen Schulabschluss machtund eine Ausbildungsstelle sucht, und wer als Unternehmer noch freie Lehrstellen hat und passende Lehrlinge einstellen will, sollte sich Freitag, 9. Oktober, vormerken. Dann bietet die regionale Wirtschaft im Tagungszentrum der Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier mit der siebten Ausbildungsmesse "Dein Tag, Deine Chance - Ausbildung jetzt!" einen Überblick über die zahlreichen Ausbildungsmöglichkeiten in der Region.

Die Ausbildungsmesse des Netzwerkes von IHK und Handwerkskammer (HWK), Agentur für Arbeit und Trierischem Volksfreund beginnt um 14 Uhr. Unternehmen aus allen Branchen erklären, welche Berufe sie ausbilden, wie die Ausbildung abläuft und welche Anforderungen sie an Bewerber stellen. Schulabgänger und ihre Eltern können mit Vertretern der Betriebe ins Gespräch kommen und Fragen stellen. Für die rund 50 Betriebe bietet die kostenlose Plattform eine ideale Gelegenheit, sich einem interessierten Publikum zu präsentieren. Schüler und Personalverantwortliche treffen sich beim Speed Dating. Als Belohnung winken attraktive Preise. Die Messe endet um 17 Uhr.

Unternehmen, die sich anmelden möchten, wenden sich an Elisabeth Glasner, IHK Trier, Telefon 0651-9777-302, E-Mail: glasner@trier.ihk.de , an Günther Behr, HWK Trier, Telefon 0651-207-121, E-Mail: gbehr@hwk-trier.de oder die Arbeitsagentur unter trier.pressemarketing@arbeitsagentur.deExtra Flüchtlinge

Der Weg zu Ausbildung und Job bleibt für Flüchtlinge trotz neuem Bleiberecht mit Hürden verbunden. Generell gilt ein Arbeitsverbot in den ersten drei Monaten, nachdem ein Asylantrag gestellt wurde. Wer Asyl genießt, darf uneingeschränkt arbeiten. Wer eine Aufenthaltserlaubnis oder Duldung etwa aus humanitären Gründen vorweist, kann eine Arbeitserlaubnis beantragen. Dem muss die Arbeitsagentur zustimmen. Außerdem verhindert die Vorrangprüfung (15-monatige Prüfung, ob es Deutsche oder EU-Ausländer gibt, die den Job übernehmen), ob eine Erlaubnis erteilt wird. Die Bundesagentur für Arbeit will diese Prüfung nun für zwei Jahre aussetzen, weil die Lage am Arbeitsmarkt so gut ist. Nach den neuen Regeln kann ein Ausbildungsvertrag ein "dringender persönlicher Grund" sein, einen Flüchtling zu dulden - aber nur bis zum 21. Lebensjahr. Zudem wird die Duldung nur für ein Jahr erteilt und je für ein Jahr bis zum Ausbildungsende verlängert. Ausweisung oder Abschiebung sind immer noch möglich.

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