Scholz und Baerbock ringen um Kurs Disharmonie im Auswärtigen

Berlin · Wer hat das Sagen in der Außenpolitik, wer setzt den Ton? Bundeskanzler Olaf Scholz oder die eigentlich zuständige Ministerin Annalena Baerbock? Zuletzt fielen beide eher durch Kompetenzgerangel denn durch eine gemeinsame Linie auf.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht neben Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Außenministerin, bei einem Pressestatement im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht neben Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen), Außenministerin, bei einem Pressestatement im Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Um die deutsche Außenpolitik war es in der Geschichte schon einmal deutlich harmonischer bestellt als derzeit. Nun gilt Harmonie in diesem Zusammenhang vielleicht nicht gerade als Prämisse, eine abgestimmte und einheitliche Linie von Bundeskanzleramt und Auswärtigem Amt in der Regel aber schon. Erst recht in Krisenzeiten. Doch davon konnte zuletzt kaum die Rede sein.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bereist in diesen Tagen mehrere lateinamerikanische Länder, um wichtige Abkommen vorzubereiten und russischer Propaganda entgegenzuwirken. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reist erst im März dorthin. Scholz hat Außenpolitik mit Blick auf den Ukraine-Krieg und seine Folgen wie die Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen zur Chefsache gemacht. Baerbock und ihr Haus hadern damit immer wieder – Kompetenzgerangel auf höchster Ebene.

Der aktuelle Streit um die Inhalte der nationalen Sicherheitsstrategie ist nur ein weiteres Beispiel für dieses Gerangel. Dem Vernehmen nach liegen Kanzleramt und das federführende Außenressort über Kreuz etwa bei der Frage, ob es einen Nationalen Sicherheitsrat geben soll nach US-amerikanischem Vorbild und wenn ja, wer dieses neue Gremium leiten soll. Das Kanzleramt würde die Leitung für sich beanspruchen, das Auswärtige Amt ebenfalls, berichtete zuletzt etwa der „Spiegel“. Doch nach Angaben aus Regierungskreisen hakt die Fertigstellung nicht nur an diesem Punkt. Ein Treffen Ende vergangener Woche im Kanzleramt blieb demnach ohne Ergebnis, obwohl am 17. Februar die Münchner Sicherheitskonferenz beginnt und eine fertige Sicherheitsstrategie Deutschland gut zu Gesicht stehen würde. Dass man dieses Datum nun noch schaffen wird, gilt als utopisch. Denn auch über eine Festschreibung der Militärausgaben auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts wird dem Vernehmen nach noch gestritten, ebenso über mehr Bundeskompetenz beim Katastrophenschutz, was die bislang zuständigen Bundesländer gegen Baerbock aufgebracht hat.

Doch unabhängig vom Tauziehen um die Sicherheitsstrategie sind Kanzleramt und Auswärtiges Amt zuletzt immer wieder durch Disharmonie aufgefallen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine war es innerhalb der Bundesregierung vor allem Außenministerin Baerbock, die den Kanzler öffentlich unter Druck setzte beim Thema Waffenlieferungen. Der Eindruck eines zögernden und zaudernden Kanzlers wurde dadurch verstärkt. Die deutlich wahrnehmbare Stille durch Scholz’ Strategie eines leisen Verhandelns mit den westlichen Verbündeten im Hintergrund nutzte Baerbock für medienwirksame und lautstarke Unterstützungsappelle zur besten Sendezeit. Ob es Scholz nicht vermochte, seine Koalitionspartner angemessen über die Verhandlungen zu informieren, ist unklar. Klar ist jedoch, dass man im Auswärtigen Amt seit geraumer Zeit unzufrieden ist mit dem Kommunikationsstil des Kanzlers.

Andersherum ärgert man sich im Kanzleramt über Fehltritte der Außenministerin. Etwa, als Baerbock vor einer Woche in einem Interview mit einem französischen Fernsehsender sagte, dass Deutschland sich nicht gegen die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern anderer Länder sperren würde, wenn die einen Antrag stellen würden. Das war weder abgesprochen, noch so geplant. Denn zu dem Zeitpunkt befand sich Scholz noch in Verhandlungen mit den USA.

Kurz danach irritierte Baerbock mit einer Aussage beim Europarat in Straßburg, als sie auf Englisch mit folgenden Worten zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufrief: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Scholz stellte nun auf Nachfrage im fernen Argentinien klar: „Das ist ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine.“ Deutschland werde alles dafür tun, damit es nicht zu einer Eskalation komme, die zu einem Krieg zwischen Russland und Nato-Staaten führe. „Das ist für uns ausgeschlossen. Wir werden alles tun, dass es nicht passiert.“

Baerbock wirkt dabei wieder einmal wie vom Kanzler gerüffelt. Anderes prominentes Beispiel: Als Scholz Anfang November nach China gereist war und Präsident Xi Jinping als Ergebnis der Reise Russland indirekt vor dem Einsatz von Atomwaffen warnte. Denn zuvor hatte Baerbock sich gegen die Reise zu dem Zeitpunkt ausgesprochen und Scholz noch verklausuliert ermahnt, sich dort an die gemeinsamen Verabredungen im Koalitionsvertrag bezüglich China zu halten. Hinterher war er der erfolgreiche Diplomat.

In der Kanzlerpartei herrscht ohnehin Unmut über Baerbock. Man wirft ihr vor, das diplomatische Potenzial nicht auszuschöpfen, um Russland international zu isolieren. Und dass es nicht sonderlich harmonisch zwischen Scholz und Baerbock läuft, war zuletzt auch bei Äußerungen der stellvertretenden Regierungssprecherin Christiane Hoffmann herauszuhören. Wer die Außenpolitik der Bundesregierung bestimme, das Kanzleramt oder das Außenministerium, wurde sie da gefragt. Der Kanzler arbeite mit allen seinen Ministerinnen und Ministern eng und vertrauensvoll zusammen, sagte sie, ohne den Hinweis auf die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers zu vergessen. Auf Nachfrage schob sie aber noch hinterher: „Soll ich jetzt von Liebe sprechen? Nein.“

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