Ein Eifeler Landrat, 105 Ermordete und eine brillante Nachkriegskarriere

Trier · Der Eifeler Sägewerksbesitzer und CDU-Landrat Karl-Theodor Molinari wurde von Frankreich als Kriegsverbrecher verurteilt. Doch noch immer trägt das Bildungswerk des Bundeswehrverbands seinen Namen. Wieso wurde der nicht längst geändert? Der TV ist der Sache auf den Grund gegangen.

 Im französischen Revin erinnert ein Denkmal an die getöteten Widerstandskämpfer. Foto: Stadtverwaltung Revin

Im französischen Revin erinnert ein Denkmal an die getöteten Widerstandskämpfer. Foto: Stadtverwaltung Revin

Foto: (g_pol3 )

Trier. Die französischen Widerstandskämpfer hatten sich in den Wäldern verschanzt, um in Guerillataktik von dort aus gegen die deutschen Besatzer zu kämpfen. Doch sie wurden entdeckt, eingekesselt, gefangengenommen und misshandelt. Schließlich prügelten Wehrmachtssoldaten sie mit Knüppeln dazu, ihr eigenes Grab zu schaufeln. Dann hallten Schüsse über die Hochebene. Ein Kriegsverbrechen, zweifellos.

105 Partisanen wurden am 13. Juni 1944 in den französischen Ardennen unweit des Städtchens Revin auf Befehl eines deutschen Obersten von einem Erschießungskommando des Panzerregiments 36 ermordet.
Wenige Jahre später verurteilt das Metzer Militärgericht die beiden Ranghöchsten der an diesem Verbrechen beteiligten Verbände - Oberst Botho Grabowski und Major Karl-Theodor Molinari - in Abwesenheit zum Tode. Das Gerichtsverfahren soll nur fünf Minuten gedauert haben. Die grausigen Szenen spielten sich zwar nur 200 Kilometer von der Region Trier entfernt ab. Doch ist all das inzwischen so lange her, dass es nicht weiter erstaunen würde, geriete die Geschichte in Vergessenheit.

Das tut sie aber nicht. Immer wieder graben sich Menschen durch Stapel vergilbter Dokumente, um zu erfahren, was damals geschah. Und vor allem: wer die Verantwortung dafür trägt.
Eine zentrale Frage lautete: War Molinari, der nach dem Krieg nicht nur CDU-Kreisvorsitzender und Landrat des Eifelkreises Schleiden wurde, sondern auch Bundeswehrgeneral und erster Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbands, war dieser Molinari dabei?
Eine Frage, die auch deshalb immer wieder gestellt wird, weil eine wichtige deutsche Stiftung - das Bildungswerk des deutschen Bundeswehrverbandes - noch immer den Namen jenes Mannes trägt, der in Frankreich als Kriegsverbrecher verurteilt wurde: die Karl-Theodor-Molinari-Stiftung. Sie bietet Seminare zu verschiedenen politischen Themen an. Ihr Ziel ist es, Erwachsene weiterzubilden, "zur Förderung des demokratischen Gedankens und der internationalen Zusammenarbeit".

Wie passen diese Ziele zur umstrittenen Persönlichkeit Molinaris? Das fragt sich auch ein ehemaliger Soldat aus der Eifel, der anonym bleiben möchte. Er hat sich an den Volksfreund gewandt, nachdem er die Stiftung - vergeblich - dazu aufgefordert hat, ihren Namen zu ändern. Ob das Bildungswerk wirklich glaube, es könne alles totschweigen, fragt der Ex-Soldat den Vorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands, Oberstleutnant André Wüstner, in einem Brief. Der Eifeler findet, Molinari hätte nicht einmal Soldat werden dürfen.
Der TV-Leser ist bei weitem nicht der Erste, der sich empört. Immer wieder gab es kritische Fragen, Ermittlungen, Berichte und Proteste. 2014 forderten französische Antifaschisten in einer Petition die Auflösung der Stiftung.
Warum aber bleibt sie trotz alledem bei ihrem Namen? Die Frage hat nun auch der Volksfreund der Stiftung gestellt und von Geschäftsführer Michael Rudloff knapp zusammengefasst folgende Antwort erhalten: Die Stiftung hält an Molinari fest, weil, - das zeigen laut Rudloff die Untersuchungen unabhängiger Wissenschaftler - er nicht an der Erschießung der Partisanen beteiligt war. Auch staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren seien ergebnislos eingestellt worden.

Nachdem es immer wieder zu kritischen Medienanfragen gekommen war, hatte der Verband 2008 das Militärgeschichtliche Forschungsamt mit der Aufarbeitung der Vorfälle betraut. Dieses beauftragte einen unabhängigen Historiker, Dr. Peter Lieb von der Royal Military Academy Sandhurst, der auch über die deutsche Partisanenbekämpfung im Frankreich der Jahre 1943/44 promoviert hatte.
Lieb kam laut Rudloff zu folgendem Ergebnis: Molinari gab "definitiv nicht den Befehl zur Erschießung der französischen Widerstandskämpfer". Belastende Zeugenaussagen hätten sich als falsch erwiesen. Folgendes sei geschehen: Molinari sei nach der Gefangennahme mit seiner Panzerabteilung abgerückt. Zurück blieb der Chef der 2. Kompanie von Molinaris Abteilung des Panzerregiments mit einem Teil seiner Kompanie. Diesem Mann soll Oberst Grabowski den direkten Befehl zur Erschießung der 105 Widerstandskämpfer gegeben haben. Nachdem Lieb all das präsentiert hatte, entschied die Stiftung 2010, bei ihrem Namen zu bleiben. Molinari habe sich im Unterschied zu vielen anderen Offizieren seiner Generation "in einem glaubhaften Lernprozess zu einem vehementen Vertreter des Konzepts der inneren Führung entwickelt", schreibt Rudloff. Die Bundeswehr-Beurteilung bestätige seine "warmherzige, humorvolle Art und seine hohe ethische Auffassung".

Mehrmals habe er deutsche Soldatenwallfahrten nach Lourdes geleitet, wo man ihn mit dem Bruderkuss begrüßte. Zudem habe Molinari sich der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen gestellt und als Kommandeur seines Panzerlehrbataillons die Patenschaft für einen KZ-Gedenkstein in Bergen-Belsen übernommen.
Das mit Kreuzen und Wildschweinen verzierte Mahnmal im Maas-Städtchen Revin errichteten andere. Das Monument will die Nachwelt an all diejenigen erinnern, die von deutschen Soldaten am 13. Juni 1944 dazu gezwungen wurden, ihr eigenes Grab zu schaufeln.Extra

Karl-Theodor Molinari wurde am 7. Februar 1915 in Bonn geboren. 1935 trat er in den Dienst der Wehrmacht ein. Nach dem Krieg betrieb er ein Sägewerk in Urfey/Eifel und wurde 1952 CDU-Landrat des Kreises Schleiden. 1956 trat er in den Dienst der Bundeswehr ein, wo er erneut eine steile Karriere machte. 1966 wurde er zum Generalmajor befördert. 1956 war Molinari Gründungsvorsitzender des Bundeswehrverbands. Mehrfach wurde wegen möglicher Beteiligung an der Ermordung von 105 französischen Partisanen gegen ihn ermittelt. 1970 stellte der Staatsanwalt die Ermittlungen ein, ohne "wesentliche Belastungen" Molinaris gefunden zu haben. 1970 trat der General - angeblich freiwillig - in den vorzeitigen Ruhestand. Der dreifache Vater starb 1993 in Dortmund. Mos

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