Vorwärts gehen

Kind, schau nach vorne! Diese elterliche Ermahnung ist uns sicher vertraut! Es ist ja auch ziemlich nervig, wenn der Zögling verträumt, den Blick gesenkt, durch die Weltgeschichte schlurft, weder Auge noch Ohr für das, was um ihn herum geschieht.

Aber manchmal ist es eben so, dass der Blickwinkel sehr eingeschränkt ist, nicht nur bei Kindern. Was haben wir denn im Blick? Das, was eigentlich wichtig ist? Hierzu eine Geschichte von Lene Mayer-Skumanz: Ein Mann erfuhr, dass Gott zu ihm kommen wollte. "Zu mir?", schrie er. "In mein Haus?" Er rannte durch alle Zimmer, er lief die Stiegen auf und ab, er kletterte zum Dachboden hinauf, er stieg in den Keller hinunter. Er sah sein Haus mit anderen Augen. "Unmöglich!", schrie er. "In diesem Sauhaufen kann man keinen Besuch empfangen. Alles verdreckt. Alles voller Gerümpel. Kein Platz zum Ausruhen. Keine Luft zum Atmen." Er riss Fenster und Türen auf. "Brüder! Freunde!", rief er. "Helft mir aufräumen - irgendeiner! Aber schnell!" Er begann sein Haus zu kehren. Durch dicke Staubwolken sah er, dass ihm einer zu Hilfe gekommen war. Sie schleppten das Gerümpel vors Haus, schlugen es klein und verbrannten es. Sie schrubbten Stiegen und Böden. Sie brauchten viele Kübel Wasser, um die Fenster zu putzen. Und immer noch klebte der Dreck an allen Ecken und Enden. "Das schaffen wir nie!", schnaufte der Mann. "Das schaffen wir", sagte der andere. Sie plagten sich den ganzen Tag. Als es Abend geworden war, gingen sie in die Küche und deckten den Tisch. "So", sagte der Mann, jetzt kann er kommen mein Besuch! Jetzt kann Gott kommen. "Wo er nur bleibt?", fragte er sich. "Aber ich bin ja da!", sagte der andere und setzte sich an den Tisch. "Komm und iss mit mir!"

Gott im Alltag spüren - wie gut uns das täte. Ihn im Blick zu haben, seine Gegenwart auf der Rechnung des Lebens zu wissen: wie entlastend das wäre. Gottes gute Nachricht an uns heißt doch, dass er uns in Jesus Christus auf Augenhöhe begegnet, als einer von uns. Dass er dabei uns selbst mit unserem Dasein im Blick hat, auch dann, wenn wir ganz unten sind - gerade dann. Dass er am Werk ist für uns. Wer das für sich annimmt, der kann auch aufrecht und mit Übersicht sein Leben schultern und vorwärts gehen.

Ulrich Müller, evangelischer Pfarrer der Pfarreien Irmenach-Lötzbeuren-Raversbeuren

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort