Windkraft-Ausbau an der Oberen Kyll: Solidarpakt mit dicken Fragezeichen

Jünkerath · Auch in der Verbandsgemeinde Obere Kyll soll es im Zuge der Energiewende einen Solidarpakt zur Windkraft und den künftigen Pachteinnahmen geben. Motto: Profite teilen, Schulden verringern. Allerdings sind noch nicht alle dazu bereit. Vor allem soll kein Geld nach Hillesheim fließen.

Jünkerath. Mehr Rotoren, höhere Einnahmen: Die Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll wird im Zuge der Energiewende zusätzliche Standorte für Windkraftanlagen im Flächennutzungsplan ausweisen. Im Oktober beschloss der Rat, diese Flächen vornehmlich im Westen der Kommune zu konzentrieren (der TV berichtete).
In einem weiteren Schritt sollen alle Ortsgemeinden einen Solidarpakt unterzeichnen - wie bereits in der VG Prüm geschehen. Der Pakt würde gewährleisten, dass von den zukünftigen Pacht- und Steuereinnahmen alle Dörfer in der VG profitieren - auch jene, in denen sich kein Propeller drehen wird. Die Orte mit Windrädern würden dafür einen Anteil von 22,5 Prozent ihrer Einnahmen in die gemeinsame Kasse abführen.
Sechs der 14 Ortsgemeinden haben in der Zwischenzeit ihre Beteiligung am Pakt beschlossen - Birgel, Gönnersdorf, Hallschlag, Jünkerath, Lissendorf und Stadtkyll. Weitere sollen Anfang des neuen Jahres folgen.
Allerdings lassen sich einige andere noch Zeit mit ihrer Unterschrift. Es sind vor allem diejenigen, in deren Gemarkungen vor-aussichtlich Windräder aufgestellt werden. In Scheid wurde der Solidarpakt sogar abgelehnt - jedoch "nicht endgültig", wie Ortsbürgermeister Willi Heinzius sagt. Man wolle lieber abwarten, "wie das Ganze jetzt ausgeht und der Flächennutzungsplan aussieht".
"Alle zanken sich"


Zudem verweist Heinzius darauf, dass man in seinem Ort und dem benachbarten Hallschlag bereits dafür gescholten worden sei, "dass wir hier alles zupflastern". Daher gelte es, vorsichtig zu agieren. Zumal andere Gemeinden bisher auf Windkraft verzichtet hätten, jetzt aber "auch etwas davon haben" wollten. Es sei ein bisschen wie bei der Kommunalreform, sagt Heinzius: "Alle zanken sich."
In Ormont hat man den Beitritt vorerst vertagt: Grundsätzlich könne man sich das aber vorstellen, sagt Ortsbürgermeister Cornelius Dahm. Allerdings knüpfen die Ormonter, in deren Gemeinde vor 21 Jahren die ersten Windräder auf privaten Flächen errichtet wurden, zwei Bedingungen daran. Die erste betrifft den Beschluss des VG-Rats vom Oktober, der die für neue Anlagen erforderliche Windhöffigkeit (Geschwindigkeit in 100 Metern Höhe) auf sieben Meter in der Sekunde als Mindestwert festsetzt. Denn das bedeute, dass weniger Anlagen aufgestellt und einige Gemeinden (oder private Grundstücksbesitzer) leer ausgehen würden, weil es dort eben nicht ganz so stark bläst.
Der Mindestwert müsse gesenkt werden, sagt Dahm. Das fordert auch sein Reuther Bürgermeister-Kollege Ewald Hansen. Ansonsten nämlich, sagt Hansen, "wären wir die einzige Gemeinde mit Windrädern". Ausnahme: Ormont - mit exakt einer möglichen Anlage auf Gemeindegrund.
Damit wären aber Reuth und Ormont auch die beiden einzigen Dörfer, die Einnahmen in den Solidarpakt abzuführen hätten. Wenn es nicht zum Pakt kommt und in Reuth neue Windräder aufgebaut werden, will die Gemeinde einen Teil der Einnahmen an die Ortsgemeinde Stadtkyll abgeben. Profitieren würde von diesem Geld ausschließlich der Stadtkyller Ortsteil Schönfeld - weil die Anlagen von dort aus zu sehen wären.
Die zweite Bedingung, die beide stellen - und auch die Ortsgemeinde Kerschenbach, ein weiterer Windkraft-Kandidat - , hat mit der Kommunalreform zu tun und der drohenden Zwangsfusion mit Hillesheim: Sofern es, egal mit wie vielen Windrädern, zum Solidarpakt komme, müsse das Geld aus den Pachteinnahmen an der Oberen Kyll bleiben.
"Wir wollen ganz klar nicht, dass das Geld in Hillesheim in den gesamten Topf geht", sagt Cornelius Dahm. "Das Geld soll zur Entschuldung der jetzigen VG dienen", sekundiert Ewald Hansen. "Und nicht woandershin fließen."
Erst aber muss überhaupt einmal etwas fließen. VG-Bürgermeisterin Diane Schmitz hofft auf jährlich 100 000 bis 150 000 Euro, die der hoch verschuldeten Kommune zugute kämen, sollte es zu neuen Anlagen und zum Solidarpakt kommen. Sie wirbt deshalb weiter für den Vertrag in den Gemeinden, die noch nicht unterschrieben haben: "Die Hoffnung habe ich noch nicht aufgegeben."Meinung

Verständlicher Widerstand
Wer mit Zwang und Druck operiert, der erntet Trotz und Widerstand. Das ist eine der - nicht gerade neuen - Lehren aus dem Vorgehen der Landesregierung bei der Kommunalreform. Man kann also nachempfinden, dass einige Gemeinden an der Oberen Kyll das schöne Geld, das die Windkraft bringen könnte, in der Nachbarschaft behalten und nicht mit den Orten des Zwangsfusionspartners Hillesheim teilen wollen - wo sie sowieso nicht erwünscht sind. Was bringt die Kommunalreform? Vor allem eines: Zwist. fp.linden@volksfreund.deExtra

62 Windräder drehen sich in der Verbandsgemeinde Obere Kyll, vor allem rund um Hallschlag, Scheid, Ormont und Reuth. In Ormont wurden 1991 die ersten von ihnen aufgebaut, der Windpark am Goldberg galt als Touristenattraktion. 37 der Anlagen würden heute allerdings nicht mehr genehmigt, weil die Ausschlusskriterien inzwischen strenger sind. Die bereits stehenden Anlagen - viele davon auch auf Privatgrundstücken, würden nicht vom Solidarpakt erfasst. Dieser gilt nur für neu aufgestellte Rotoren. Die angesetzte Windstärke von sieben Metern in der Sekunde würde 19 neue Anlagen ermöglichen. Sollte sie jedoch auf einen Wert unter sieben Metern gesenkt werden, könnten bis zu 49 Windräder in der VG aufgestellt werden. fpl

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