Zeichen des Todes

Sie sind Zeugnisse einer Vergangenheit, in der Menschen jeden Tag und jede Stunde mit ihrem Tod rechnen mussten. Nur die Pestkreuze, die noch hie und da im Altkreis Prüm am Wegesrand stehen, haben die Jahrhunderte überdauert.

 Altes Pestkreuz bei Irrhausen. TV-Foto: Alois Mayer

Altes Pestkreuz bei Irrhausen. TV-Foto: Alois Mayer

Schönecken/Dasburg. Still und schief steht es da! Jenes kleine eichene Kreuz. Altes, morsches Holz, von Gras umrankt und von Flechten gezeichnet. Inmitten der Flur, nahe am Waldrand. Kaum beachtet. Und dennoch - ein Dokument aus einer Zeit, die Menschen erzittern ließ.

"Pestkreuz" nennen es die befragten Leute, und selbst heute noch, wo diese einstige Geißel Gottes nirgendwo mehr eine Gefahr darstellt, erschaudern Menschen bei bloßer Nennung des Wortes. Gerade im Altkreis Prüm legen viele dieser Pestkreuze, Sagen und überlieferten Berichte, Gelübde und geweihten Kapellen Zeugnis jener entsetzlichen Krankheit ab.

Vor Jahrhunderten wütete sie und forderte viele Menschenleben. Besonders schlimm war die wohl entsetzlichste Pestepidemie im 17. Jahrhundert. Als sie endete, stellte die Statistik fest, dass fast fünfzig Prozent der Eifelbevölkerung ausgerottet war. Der "Schwarze Tod", wie die Leute die Pest auch nannten, forderte prozentual mehr Opfer als der Erste und Zweite Weltkrieg zusammen.

Pastor Bormann, jener Daleidener Historiker, schrieb: "Im Jahre 1604 verwüstete die Pest die Provinz und raffte eine bedeutende Anzahl von jedem Geschlecht, Alter und Stande dahin. Die Atmosphäre war so angesteckt, dass man mit Recht fürchtete, alle würden daran sterben."

1623 erreichte die Pest Prüm und das dortige Kloster, sie forderte Menschenleben unter den Mönchen und der Bevölkerung. 1626 brach sie in Harspelt aus und ließ nur mehr neun Familien überleben. Am schlimmsten waren die Jahre 1636/37. Blitzschnell griff die Seuche im Prümer Raum um sich.

"In Schönecken wütete 1637 die Pest, dass kaum Männer genug da waren, die Toten zu beerdigen", ist in Chroniken zu lesen, und "die Kellner auf dem Schlosse Schönecken klagten, dass keine Leute mehr da seien zu den notwendigsten Fronarbeiten. Die Dorffluren der Bauern gerieten in Vergessenheit bei diesem Sterben." Etwa 120 000 Menschen sollen in dem damaligen luxemburgischen Eifelteil an dieser Seuche gestorben sein. Mehrere Dörfer stünden buchstäblich öde da, keine lebende Seele fände sich mehr in denselben vor. Zwei Dörfer sind seit jener Zeit gänzlich verschwunden "Platten" oder "Blattheim" bei Hollnich und Hascheid (Hescheid) auf dem Weg von Bleialf nach Auw.

Viele Urkunden erzählen bis heute vom Leiden der Bevölkerung, von "Verderben, versterben vnndt verreysen", von pfleglos liegenden Gütern, von ausgestorbenen Häusern und Weilern. Durch dieses Pestübel sollen in den drei großen Pfarreien Daleiden, Eschfeld und Arzfeld nur mehr dreizehn Familien am Leben geblieben seien, in der Pfarrei Großkampen nur mehr fünf, und in Leidenborn überlebten nur sechs Familien. Auch der Daleidener Pastor Jakob Pott fiel der Pest zum Opfer. Ein Pestkreuz erinnert noch an ihn. In großen Gruben wurden die an der Pest Verstorbenen ohne alle Zeremonien verscharrt.

Die Überlebenden versprachen Gebete und Gelübde. In Irrhausen wird bis auf den heutigen Tag eine Sakramentsprozession als Dank für die Rettung aus großer Pestnot gehalten. Ähnliche Prozessionen als Erfüllung von Pestgelübden finden sich in Daleiden (Aloisiusprozession), in Großkampen (an Christi Himmelfahrt Prozession nach Berg zum Pestkreuz).

Zu Dasburg ließ im Jahre 1638 der Burggraf und Rentmeister Jakob Biewer und seine Ehefrau Susanna Wiltheim zur Abwehr der Pest und zu Ehren der schmerzhaften Muttergottes und der Pestheiligen Rochus und Sebastian im Oberdorf eine malerische Kapelle erbauen.

Bis heute künden noch stets Gelübde und Kreuze, Sagen und Urkunden von jener Zeit, als "die Kränkt" wütete. Sie selbst ist ausgerottet. Aber vielleicht gewährt der "Totenmonat November" dennoch Zeit, auch jener großen Zahl unserer Vorfahren zu gedenken, die die Pestsichel des Todes hinwegmähte.

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