Mehr als der Theodor im Fußballtor

Trier · Wer in Deutschland zur Altersgruppe 50plus gehört, der kennt den Schauspieler Theo Lingen. Doch die außergewöhnliche Lebensgeschichte, die dahinter steht, ist kaum bekannt. Eine neue Produktion im Studio des Trierer Theaters könnte das ändern.

Trier. Er gehörte zum Inventar des deutschen Films, von den goldenen Ufa-Zeiten in den 1930er Jahren über die leichten Nachkriegs-Komödien der 50er bis zu den peinlichen letzten Zuckungen der Branche mit den Pauker- und Lümmel-Filmen Anfang der 70er. Er spielte einen Gauner in Fritz Langs Geniestreich "M - eine Stadt sucht einen Mörder", er schlug sich mit Hans Moser im "Opernball" die Gags um die Ohren und blödelte als Schuldirektor Taft in nichtendenwollenden Seicht-Gefilden. Bei mehr als 200 Filmen stand er bis zu seinem Tod im Jahr 1978 auf der Besetzungsliste.
Theo Lingen, der Mann mit der näselnden Stimme, dem steifen Gehabe, der Theodor im Fußballtor mit dem gegelten Mittelscheitel und den wackelnden Ohren: Was er für die Öffentlichkeit spielte, würde man heute Comedian nennen. Aber gleichzeitig war er hochseriöser Burgschauspieler, in jungen Jahren linker Kabarettist am Ku\'damm in Berlin, Brechts Macheath in der Ur-"Dreigroschenoper". Ein ernster, stiller, bei Journalisten als schwierig geltender Mann, außerordentlich belesen, selbst Autor von Stücken und Hörspielen.
Im Grunde also ein "Komiker aus Versehen". So heißt auch das Stück von Tillmann von Blomberg, dessen Schlussproben diese Woche im Studio des Trierer Theaters laufen. Eine Art Revue mit Musik und Szenen aus dem Leben des 1903 geborenen Hannoveraners, der mit Taufnamen Schmitz hieß und sich nach der Geburtsstadt seines Vaters Lingen nannte.
Eine erzählte Biographie soll es freilich nicht werden, erläutert Regisseur Werner Tritzschler, "und auf keinen Fall ein Tralala-Abend". Michael Ophelders und Matthias Stockinger spielen den alten und den jungen Theo Lingen denn auch nicht als Kopie der Kunstfigur - ganz im Sinn des Künstlers, der privat beispielsweise völlig normal sprach.
Das besondere Augenmerk des Stückes und der Inszenierung liegt auf dem Schicksal Lingens in der Nazizeit. Seine Frau, die Sängerin Marianne Zoff (die zuvor mit Brecht verheiratet war), war im Jargon der NS-Rassenlehre Halbjüdin und damit permanent bedroht. "Wie schaffte er es, seine Familie all die Jahre zu schützen, ohne Mitläufer zu werden?", fragt sich Regisseur Tritzschler. Denn anders als viele Kollegen hielt sich Lingen von den Nazis fern, pflegte sogar Kontakte zu Widerstandsgruppen.
Das Stück konfrontiert ihn mit Figuren der Zeitgeschichte wie Hitler, Goebbels, Gründgens oder Brecht, die auch in seinem privaten Leben teilweise eine große Rolle spielten. Die vier Schauspieler (neben Ophelders und Stockinger noch Sabine Brandauer und Christian Miedreich) teilen sich alle Nebenfiguren, werden sich also auf der Bühne permanent verwandeln. Tritzschler sieht in ihnen "überzeichnete Typen", deren teilweise grotesken Auftritte der laut Untertitel "musikalischen Komödie" die nötige Fallhöhe verleihen sollen.
Am Sonntag, 29. September, um 20 Uhr ist Premiere. Weitere Vorstellungen am 4., 6., 9., 24. und 26. Oktober sowie am 10. und 16. November. Infos und Karten: www.theater-trier.de

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