Torlos 0 : 0

TRIER. Das Theater Trier schwimmt auf der abebbenden Ostalgie-Welle. Der Einakter "Leben bis Männer" von Thomas Brussig zeigt das Schicksal eines arbeitslosen Fußballtrainers aus der ehemaligen DDR.

Fußball ist alles. Jedenfalls für den Trainer (Manfred-Paul Hänig) derBitburger Börde (ehemals BSG Tatkraft Börde). Er weiß, dass 1863 in England der weltweit erste Fußballverband gegründet wurde, Uli Hoeness im EM-Finale 1976 den entscheidenden Elfmeter verschoss und Günter Netzer einer der wenigen ist, der im Sportstudio fünf Mal durch die Torwand traf.Fußball ist nicht nur sein Hobby, es ist sein Lebensinhalt. Doch während er am Spielfeldrand den "Julius Cäsar der Seitenlinie" mimt, spielt er im wirklichen Leben eine eher erbärmliche Rolle. Die Allgemeinplätze vom Sportplatz lassen sich nicht auf den Alltag übertragen.Der Trainer, der das Team von Börde von den "Kindern" bis zu den "Männern" - daher der kryptische Titel des Stücks - betreute, bereitet sich auf das Training einer neuen Mannschaft vor. Dabei blickt er zurück in die Zeit vor der Wende und verknüpft sportliche Ereignisse mit privaten Schicksalsschlägen. Zuerst ließ sich seine vernachlässigte Frau scheiden, dann verlor er seine Arbeit. An die Stelle seines Sohnes, der ihm entzogen wurde, rückte der Abwehrspieler Heiko. Sentimental wird er nach eigenen Angaben nur noch beim "Tor des Jahres", und der Zuschauer ist geneigt, ihm dies auch zu glauben. Denn der Trainer wirkt nicht unglücklich über seine Situation, er zieht sich stets an seiner sportlichen Aufgabe und den wenigen schönen Erinnerungen, zum Beispiel das Tor von Jürgen Sparwasser gegen (West-) Deutschland 1974, hoch. Wenn sein Schicksal ihn schon selbst kaum berührt, wie soll es dann den Zuschauer bewegen?!"Leben bis Männer" (Inszenierung Klaus-Dieter Köhler) von Thomas Brussig ist keine Tragödie. Eine Komödie ist es auch nicht. Das Problem liegt in der Mittelmäßigkeit des Protagonisten. Einen Trainer mit seiner Vita gibt es nicht zu Hunderten. Es gibt ihn zu Tausenden. Weil die Geschichte so authentisch ist, ist sie so gewöhnlich. Man hätte gut daran getan, die Biografie des Titelhelden hie und da zu überspitzen, denn das Ein-Personen-Stück hat keinen wirklichen dramatischen Höhepunkt, und komisch ist es auch nur selten. Die Spannung verläuft so linear wie die Außenlinien eines Spielfelds. "Leben bis Männer" ist wie ein durchschnittliches Fußballspiel, das 0:0 endet.Alles andere als Mittelmaß ist der Darsteller. Manfred-Paul Hänig macht 90 Minuten lang eine hervorragende Figur als Fußballlehrer. Selbst in einer Kulisse, die mehr an ein Bundeswehrübungs-camp, als an einen Sportplatz gemahnt. Ich gebe zurück ins Studio. Die nächsten Termine: 17., 19. u. 30. 12.; Karten: 0651/718-1818.

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