"Das durchstoßene Herz": Ramstein-Katastrophe jährt sich zum 25. Mal

Ramstein · Im August 1988 gingen furchtbare Bilder um die Welt: Beim Flugtag in Ramstein in Rheinland-Pfalz raste ein brennender Militärjet mitten in die Zuschauermenge. Es regnete Feuer und Trümmer, 70 Menschen starben.

Ramstein (dpa) - 28. August 1988: Auf der US-Airbase im pfälzischen Ramstein herrscht Volksfeststimmung. Es ist ein strahlend schöner Sommertag. Weit mehr als 300 000 Menschen sind zum Flugtag auf den Militärflughafen gekommen, der sonst nicht frei zugänglich ist. Musikkapellen spielen, Kinder schlecken amerikanisches Eis. Die meisten Zuschauer nehmen die Gefahr über ihnen am Himmel nicht wahr. Dabei rasen die Militärjets in einer Entfernung von nur wenigen Dutzend Metern über die Köpfe der Menschen hinweg.

Die Flugschau ist schon fast vorbei, da passiert bei der Figur „Das durchstoßene Herz“ die Katastrophe: Drei Jets der italienischen Kunstflugstaffel „Frecce Tricolori“ kollidieren in knapp 40 Metern Höhe miteinander, nur wenige hundert Meter von den Zuschauern entfernt. Eine Maschine stürzt brennend ab und schlittert in die Menschenmenge, es regnet Kerosin und Trümmerteile.

Die Zuschauer haben keine Chance zu fliehen. Dutzende Menschen sterben sofort, die meisten von ihnen werden von herumfliegenden Trümmerteilen getroffen, bevor sie verbrennen. Manche Todesopfer können nur noch durch ihren Zahnstatus oder durch alte Röntgenaufnahmen identifiziert werden. Rund 1000 Menschen werden verletzt, über 350 von ihnen schwer. Die Zahl der Toten steigt in den nächsten Wochen und Monaten noch an. 70 Todesopfer hat das Unglück offiziell verursacht, darunter sind auch die drei Piloten.

Bis heute zählt die Katastrophe von Ramstein zu den schlimmsten Flugschau-Unglücken, die es je auf der Welt gab - und bis heute leiden die schwer traumatisierten Überlebenden. Viele von ihnen haben in Ramstein selbst schwere Verbrennungen erlitten, einige haben Angehörige - Eltern, Kinder, den Lebenspartner - verloren. „Es gibt heute noch Zeiten, in denen schwer traumatisierte Überlebende wenig belastbar sind, stumm vor sich hingucken, sehr geräuschempfindlich sind, Alpträume haben und nur mit Licht schlafen können“, sagt die Therapeutin Sybille Jatzko, Mitbegründerin der psychosozialen Nachsorgegruppe der Ramstein-Betroffenen.

Der Jahrestag rühre bei den Traumatisierten vieles wieder auf. „Sie haben Herzklopfen, Schweißausbrüche und schon Tage vorher Angst vor dem Jahrestag“, erzählt Jatzko. „Doch sie machen auch die Erfahrung, dass es jedes Jahr ein bisschen weniger wehtut.“ Was ihnen wehtue, sei die Rücksichtslosigkeit mancher Menschen, die sagten, die Katastrophe sei doch schon so viele Jahre her. „Dass die Überlebenden die schrecklichen Ereignisse nach 25 Jahren vergessen haben, glauben nur Menschen, die kein Trauma kennen“, sagt die Therapeutin.

Noch heute treffen sich die Mitglieder der Nachsorgegruppe regelmäßig. Zum 25. Jahrestag am kommenden Mittwoch werden viele von ihnen zur Unglücksstelle zurückkehren. Sie wollen sich an der Gedenkstätte treffen, die von Hinterbliebenen auf einem kleinen Privatgrundstück vor der Air Base errichtet wurde. Am Abend wird es einen ökumenischen Gottesdienst geben.

Der 25. Jahrestag werde vermutlich der letzte sein, der in einer größeren Öffentlichkeit stattfinde, sagt der Theologe und Psychologe Heiner Seidlitz, der die Überlebenden und Hinterbliebenen von Anfang an mitbetreut hat. „Die Betroffenen werden immer älter, der Abstand zum Geschehen größer, die Wege nach Ramstein für Leute aus Frankreich, den Niederlanden oder aus Bayern zu weit und beschwerlich“, erklärt er.

Das furchtbare Ereignis hat auch die kleine Gemeinde Ramstein-Miesenbach geprägt, wenngleich aus dem Ort keines der Todesopfer stammte. Der Name des Ortes wird noch heute weltweit mit der Flugtag-Katastrophe in Verbindung gebracht.

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