Die Qualmwolken sollen sich lichten

Vielen Medizinern geht es nicht weit genug, Gastwirte und Tabakhandel dringen dagegen auf flexiblere Vorgaben: Das geplante Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten in Rheinland-Pfalz wird auch nach der Experten-Anhörung im Sozialausschuss wohl ohne große Änderungen im Landtag beraten, wie die SPD-Mehrheitsfraktion durchblicken ließ.

Mainz. Das Ausmaß gesundheitlicher Folgen des Tabakqualms für Nichtraucher wissenschaftlich eindeutig nachzuweisen ist zwar extrem schwer. Doch für die Mainzer Lungenärztin Dagmar Gillmann-Blum vom Berufsverband der Pneumologen ist unbestritten, dass Rauch "der vermeidbarste Schadstoff ist, den wir haben" - mit 60 krebserregenden Stoffen. Nebenstrom-Rauch, also das, was Nichtrauchern zusetzt, ist dabei teilweise sogar noch höher belastet als der Hauptstrom-Rauch. In Ländern, die schon länger auf stärkeren Schutz vor Tabakqualm setzten, gebe es bereits positive Wirkungen, erklärte die Medizinerin bei einer Anhörung in Mainz.Das von der SPD eingebrachte Nichtraucherschutz-Gesetz gibt ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Schulen, Heimen oder Krankenhäusern vor. Auch für Gaststätten gilt grundsätzlich das Verbot. Es drohen 1000 Euro Geldbuße. Ausnahmen können für fest abgetrennte Nebenräume gemacht werden. In Festzelten soll der Griff zum Glimmstängel weiter erlaubt sein. Vor allem die FDP plädiert dafür, kleineren Kneipen mit nur einem Gastraum freizustellen, ob sie rauchfrei sein wollen oder nicht.Schon die bereits eingeplanten Ausnahmen rufen die Deutsche Krebsgesellschaft auf den Plan. Ihr geht das Gesetz nicht weit genug. Sie will mit Blick auf die Beschäftigten Rauchen in Gaststätten - auch in Festzelten - generell verbieten. Auch warnt sie davor, möglicherweise in Jugendzentren Raucherinseln zu schaffen, in denen dann "kommunikatives Rauchen" geradezu gefördert wird. Für weniger Ausnahmen plädiert auch Professor Roland Buhl vom Tumorzentrum Rheinland-Pfalz. Ein rigoroses Verbot einschließlich aller Freiflächen von Gaststätten, Sportstätten oder Schwimmbädern verlangt das Netzwerk Tabakkontrolle Rheinland-Pfalz.Das in verrauchten Räumen eine Vielzahl chemischer Substanzen, darunter auch erhöhte Werte von giftigen Stoffen wie Benzol oder bestimmte Kohlenwasserstoffe, nachzuweisen sind, bestreitet auch der Toxikologe Professor Gerhard Scherer nicht. Nach seiner Einschätzung sind diese Risiken beim Passivrauchen in Gaststätten jedoch nicht messbar. Daher hinterfragt er auch die vom Deutschen Zentrum für Krebsforschung errechnete Zahl von jährlich 3300 Todesfällen durch Passivrauchen und erntet für seine Ansichten deutlichen Widerspruch von Lungenärztin Gillmann-Blum.Für die Gaststättenbranche sind vor allem die zu erwartenden Wettbewerbverzerrungen entscheidend. Es wäre einfacher, es wie in Spanien den Lokalen zu überlassen, ob sie sich für rauchfrei entschieden oder nicht, sagte Verbandspräsident Eberhard Barth. Er fürchtet zudem, dass es Probleme mit geschlossenen Gesellschaften gibt und künftig noch mehr Gäste in Vereinsheime abwandern könnten. Raucher nach 22 Uhr noch zum Qualmen vor das Lokal zu schicken, programmiert aus seiner Sicht daneben Ärger mit der Nachbarschaft.Für Tabakhandel und Automatenaufsteller ist es falsch, zu glauben, strikte Verbote hätten keine wirtschaftlichen Folgen. Nach ihren Informationen haben in Irland seit dem Rauchverbot 2004 rund 1000 Pubs wegen sinkender Umsätze dicht gemacht. Gerade in typischen Kneipen werde von vielen auf Rauchen wert gelegt. Für Mediziner Buhl gibt es dagegen keine Wahl: Der Schutz des Einzelnen müsse über kommerziellen Interessen stehen, fordert er.

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