Wenn es ums Helfen geht, ist politischer Wille das A und O

Trier/Uganda · Das ist auch für Bischof Stephan Ackermann eine neue Erfahrung gewesen: Bei einem Besuch im afrikanischen Uganda erlebte er einige Tage hautnah, was Armut bedeutet. Er war zu Gast auf einer Farm.

Trier/Uganda. "Bisher bin ich in meinem Leben einer solchen Form von Armut noch nie so konkret begegnet." So lautet das Fazit des Trierer Bischofs Stephan Ackermann. Er hatte in seiner Funktion als Vorsitzender der Deutschen Kommission "Justitia et Pax" (Gerechtigkeit und Frieden) an einem sogenannten Exposure- und Dialog-Programm im Bistum Kasana-Luweero in Uganda, etwa 60 Kilometer nördlich der Hauptstadt Kampala, teilgenommen.
Die Programme wenden sich an Entscheidungsträger in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kirche und Gesellschaft. Diese nehmen eine Zeit lang am Alltagsleben von Familien teil, die in Armut leben. Auf diese Weise soll ein neuer Zugang zu den Problemen von Armut und Unterentwicklung entstehen.
Diese Erfahrung hat auch Bischof Ackermann gemacht, der zusammen mit einer Mitarbeiterin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei einer achtköpfigen Familie zu Gast war. "Die Menschen auf dem Land haben keine Elektrizität und kein fließendes Wasser. Der Weg bis zur Pumpstation oder zu einem Teich beträgt eine halbe Stunde. Gekocht wird mit Hilfe von drei Steinen auf offenem Feuer. Für die Feldarbeit gab es praktisch keine Werkzeuge außer Hacken und den bloßen Händen", schildert der Bischof die Situation.
Konkret habe der Alltag so ausgesehen: "Wir haben uns zum Beispiel an der Feldarbeit beteiligt, an den anfallenden Arbeiten im Haushalt oder haben zusammen mit Familienmitgliedern an der Pumpstation Wasser geholt." Diese Erlebnisse haben dem Kirchenmann bewusst gemacht, "dass in der Armutsbekämpfung nicht die materiellen und technischen Probleme der eigentliche Schlüssel sind, sondern die Aufmerksamkeit für die Menschen." Wichtig seien Zeit und die Bereitschaft, sich auf das Gegenüber einzulassen.
Um Armut auch strukturell zu bekämpfen, müssten sich in Ländern wie Uganda die staatlichen Dienstleistungen etwa in den Bereichen von Bildung und Gesundheit wesentlich verbessern. Kleinbauern sollten zudem Verbände und Genossenschaften gründen, denn solange der Einzelne mit seiner kleinen Landwirtschaft allein bleibe, habe er kaum Chancen, seine Situation zu verbessern.
Gleichzeitig betont Bischof Ackermann, dass ein hohes Wirtschaftswachstum alleine nicht unbedingt ausreiche, um Armut wirksam zurückzudrängen: "Ohne geeignete nationale Umverteilungsmechanismen wie Landreformen sowie Steuer- und soziale Sicherheitssysteme besteht die Gefahr, dass innerhalb eines Landes die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht."
Auch hat für den Bischof die internationale Staatengemeinschaft weiter die Verantwortung, die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, nach denen bis 2015 eine Halbierung der Armut, wie sie 1990 herrschte, verwirklicht werden soll: "Noch sind es vier Jahre bis 2015, und wir sehen bei den jüngsten Finanzkrisen auf globaler Ebene und im Euro-Raum, wie schnell gigantische Summen bereitgestellt werden können, wenn nur der politische Wille dazu vorhanden ist. Das gilt auch für die Entwicklungsziele: Der politische Wille ist das A und O."
Deutliche Kritik an der Politik übt der Bischof im Blick auf die Art und Weise, wie die Europäische Union ihre Grenzen vor Flüchtlingen aus Afrika sichere. Dass Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer an die Küsten Nordafrikas zurückgedrängt würden, sei "menschenrechtlich sehr bedenklich".
"Die Europäische Union braucht gerade angesichts der Umwälzungen in Nordafrika eine Neuorientierung ihrer Grenzpolitik, die wirklich menschenrechtlichen Standards genügt und eine faire Lastenteilung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bedeutet", betont der Bischof.
Ihm selbst, so sagt er, hätten die Tage in Uganda gezeigt, "wie hilfreich und notwendig es ist, nicht nur aus der Ferne über die Probleme und Möglichkeiten der Armen zu reden, sondern eine zugegeben sehr kurze, aber doch sehr konkrete und intensive Erfahrung vor Ort zu machen."
Dabei habe er auch wieder erlebt, wie sehr der Glaube an Jesus Christus helfe, Menschen ganz unterschiedlicher Kulturen miteinander zu verbinden. Gerade in den gemeinsamen Gebeten und Gottesdiensten sei für ihn spürbar gewesen, "dass wir alle zur einen Menschheitsfamilie gehören und zugleich noch auf dem Weg sind, immer mehr diese Familie zu werden."
Nach seinem Afrika-Aufenthalt hat Stephan Ackermann seinen Urlaub in Nordspanien angetreten. Von dort aus wird er zum Weltjugendtag nach Madrid reisen, der vom 16. bis 21. August in der spanischen Hauptstadt stattfindet. red

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