Gott, wo bist du?

Die Bilder vom Leid der betroffenen Menschen in der Seebebenregion in Südostasien bestimmen seit Wochen die Nachrichten. Immer noch unfassbar ist das Ausmaß der Verwüstung, nur in Ansätzen zu erahnen das Leid der Betroffenen.

In die malerische Idylle einer Ferienregion, in die schönsten Tage des Jahres hinein bricht die Katastrophe. Nichts kann der gewaltigen Kraft widerstehen, Menschen werden umhergerissen wie Puppen. Am Beginn des 21. Jahrhunderts machen wir Erfahrungen, die sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte ziehen: Das Leben ist unverfügbar und zerbrechlich. Meine Zeit auf dieser Erde ist begrenzt in Dauer und Möglichkeiten und ist ein großartiges Geschenk. Daneben stehen auch am Beginn des 21. Jahrhunderts die Erfahrungen, dass Menschen sich vom Leid anderer anrühren lassen. Die Hilfsbereitschaft ist beispiellos, die Spenden sind großzügig. Es werden Patenschaften übernommen, damit Hilfe Gesichter bekommt. Doch hinzu tritt auch das Suchen nach Gott. Wo war er? Hat Gott die Katastrophe zugelassen oder gar gewollt? Mit Klagen und Fragen richten wir uns an Gott, aber auch mit unserem Beten für die Opfer und die Helfenden. Wo unsere Worte versagen, helfen uns Worte der Bibel. Die Psalmen, das Trostbuch Israels, greifen diese Gedanken und Gefühle auf. Mir hilft es, diese Worte mitsprechen zu können in meiner Sprachlosigkeit angesichts der großen Katastrophe im Indischen Ozean, aber auch in den kleinen Katastrophen meines eigenen Lebens. Dann begegnet mir ein Wort: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen." Der gekreuzigte Gottessohn ruft so bei seiner qualvollen Hinrichtung. Mir wird das zum Trost. Ich bekomme eine Antwort auf meine Frage: Gott ist den Menschen in ihrem Leid, in Krankheit, Sterben und Hoffnungslosigkeit nahe. Er bittet um meine Hilfe und mein Mitgefühl für die in Not, die Opfer des Seebebens, die Millionen, die in diesem Jahr stillschweigend an Unterernährung und mangelnder medizinischer Versorgung sterben werden wie die alte Nachbarin, die an Einsamkeit stirbt. Christoph Pistorius Superintendent pistorius.trier@ekkt.de

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