Stadtbild Karl aus der Kiste

Trier · Bis zum 5. Mai bleibt die Bronzestatue noch gut verhüllt – und wird rund um die Uhr bewacht.

 1,10 Meter Sockel plus 4,40 Meter Figur macht 5,50 Meter Höhe: Karl Marx ist auf dem Trierer Simeonstiftplatz auf sein Podest gestellt worden.

1,10 Meter Sockel plus 4,40 Meter Figur macht 5,50 Meter Höhe: Karl Marx ist auf dem Trierer Simeonstiftplatz auf sein Podest gestellt worden.

Foto: Klaus Kimmling

Erst mal muss er raus aus seiner Kiste, der Kalle, wie ihn einige Beobachter der Szene auf dem Trierer Simeonstiftplatz am Freitagmorgen schon mal spaßeshalber taufen. Der Gurt, an dem der Bagger die Bronzestatue in die Senkrechte zieht, ist um deren Hals herum befestigt. Ein bisschen sieht das aus, als sollte der größte Sohn der Stadt gehenkt werden statt aufs Podest gestellt.

Viel Zeit bleibt jedoch nicht, um über diese Symbolik nachzudenken, die so gut passt zum seit eineinhalb Jahren währenden Streit um das Monument. Alles geht viel schneller als gedacht: Die Sache könne sich über Stunden hinziehen, hatte die Stadtverwaltung angekündigt. Die Arbeiter scheren sich darum nicht. Sie machen fix. Eine Statue aufzustellen sei zwar schon eine seltene Angelegenheit, sagt Vorarbeiter Mathias Traut. Anderseits aber auch ein ganz normaler Job. Das Wichtigste: „Aufpassen, das nichts passiert!“, sagt Traut. Wenn, würde der Moment von Dutzenden Videokameras, Fotoapparaten und Handys festgehalten: Die Medienpräsenz ist so groß wie selten in Trier.

Aber es ist ja auch ein historischer Tag: Das Geschenk aus China ist das größte – und umstrittenste – Denkmal der City. „Vor 30 Jahren wäre die Statue noch nicht möglich gewesen. Aber heute, mit mehr Abstand zum Sozialismus der DDR zum Beispiel, ist die richtige Zeit, sich mit Marx auch in dieser Form auseinanderzusetzen zu können“, sagt Oberbürgermeister Wolfram Leibe.

Rumgeschreie und laute Trillerpfeifen haben zwei NPDler an diesem Tag zu ihrer Form der Auseinandersetzung gewählt.

Der Bagger hat die Skulptur mittlerweile soweit in die Höhe gezogen, dass der Gabelstaplerfahrer mit der Stapelgabel in die dafür vorgesehenen Aussparungen der Platte fahren kann, auf der die Figur steht. Jetzt wird’s heikel: Gerät der 2,3 Tonnen schwere und 4,40 Meter hohe Marx ins Wanken, ist sein Sturz so gut wie sicher. Aber auch dieser symbolträchtige Moment vergeht im Nu: Schon wird die Statue mit meterlangen Eisenschrauben verankert. Wasserwaage dran, nochmal ein bisschen nachjustieren, und Kalle steht fest auf seinem Podest.

Um Zeitungen und Fernsehen nicht ein geheimnisvolles Etwas zu präsentieren, ist Marx’ Kopf während der Arbeiten von der weißen Schutzplane befreit worden. Als gegen 11 Uhr die Sache soweit erledigt ist, wird ihm die Haube wieder übergestülpt. Schließlich soll das Denkmal erst am Samstag, 5. Mai, enthüllt werden (siehe Bericht unten).

Die Plane, die für Marx-Gegner nach gut sitzender Zwangsjacke aussieht und für Marx-Befürworter eher wie ein legerer Bademantel, soll die Statue aber auch schützen. „Eine Frau hat mir schon angedroht, Farbbeutel auf die Figur werfen zu wollen“, berichtet Baudezernent Andreas Ludwig. Zumindest bis zum Enthüllungstermin wird Triers neue Sehenswürdigkeit daher rund um die Uhr von einem Wachdienst vor Vandalen geschützt. Bis zu 10 000 Euro koste das die Stadt, sagt Ludwig. Dass Sprayer dann halt nach der Enthüllung zuschlagen, sei leider nicht auszuschließen, bedauert Ludwig. „Davor können wir Marx genauso wenig schützen wie zum Beispiel Kirchenwände.“

Viele Redner und ein rotes Tuch

Trier (woc) 200 Gäste, eine lange Rednerliste und ein rotes Tuch: Das sind die Eckpunkte des öffentlichen Festakts bei der Enthüllung der Karl-Marx-Statue am 5. Mai ab 11.30 Uhr. „Eingeladen sind neben den Ehrengästen natürlich auch die Trierer Bürger!“, betont Rathaus-Pressesprecher Michael Schmitz.

Bevor das Denkmal erstmals in seiner vollen Ausdehnung zu sehen sein wird, stehen sieben bis acht Reden auf dem Programm.

Neben Oberbürgermeister Wolfram Leibe, Baudezernent Andreas Ludwig, Ministerpräsidentin Malu Dreyer, dem Botschafter der Volksrepublik China in Berlin, Shi Mingde, und dem Vizeminister des Informationsamtes des chinesischen Staatsrates, Guo Weimin, sind auch Vertreter der Bundesregierung und des Bundespräsidialamts auf der Rednerliste eingeplant. Ob tatsächlich beide Vertreter der chinesischen Regierung ein Grußwort sprechen, und wer die Bundesregierung und das Präsidialamt vertritt, steht allerdings noch nicht letztlich fest.

Nach dem Redenreigen, für den etwa 1,5 Stunden im Programm eingeplant sind, wird das rote Tuch weggezogen, das die Statue bis dahin komplett bedecken soll. Wer und wie viele Vertreter der Stadt und/oder Ehrengäste dabei Hand anlegen dürfen, ist ebenfalls noch offen.

Anschließend geht es lockerer zu: Die Stadt veranstaltet auf dem Simeonstiftplatz ein Bürgerfest mit Musik, Getränken und Essen. Die Geburtstagsparty für Karl Marx dauert bis etwa 18 Uhr. Ab nachmittags lädt auch das Karl-Marx-Viertel zum Stadtteilfest ein.

 Am Simeonstiftplatz in Trier wurde die 2,3 Tonnen schwere Karl-Marx Statue auf einem Sockel montiert. Die Enthüllung findet am 5. Mai statt

Am Simeonstiftplatz in Trier wurde die 2,3 Tonnen schwere Karl-Marx Statue auf einem Sockel montiert. Die Enthüllung findet am 5. Mai statt

Foto: Klaus Kimmling
 Mit Haube auf dem Kopf wartet Marx nun auf seine Enthüllung am 5. Mai.

Mit Haube auf dem Kopf wartet Marx nun auf seine Enthüllung am 5. Mai.

Foto: Klaus Kimmling

Es gibt aber noch mehr Programm: Um 19 Uhr spricht Gregor Gysi an der Uni. Gleichzeitig spielen in der Tufa „Die Grenzgänger“ vertonte Gedichte, die der junge Marx während seiner Studentenzeit schrieb.

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