Noch nicht gestartet und schon ins Stocken geraten: Gerolsteiner Millionenprojekt Kyllumbau liegt auf Eis

Gerolstein · Überraschende Wendungen: Der Stadtrat von Gerolstein hat einstimmig die Auftragsvergabe für den Umbau des Kyllufers vertagt - anstatt das Vorhaben endlich auf den Weg zu bringen. Er hatte sich nochmals mit dem Thema befassen müssen, weil Verbandsbürgermeister Matthias Pauly den Beschluss des Bauausschusses zur Auftragsvorgabe ausgesetzt hatte. In zwei bis drei Wochen will der Stadtrat nochmals in dieser Sache zusammenkommen.

Noch nicht gestartet und schon ins Stocken geraten: Gerolsteiner Millionenprojekt Kyllumbau liegt auf Eis
Foto: (e_gero )

Gerolstein. Es ist bereits dreieinhalb Wochen her, dass Landesumweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) mit einem dicken Scheck über 881 000 Euro für den ersten Bauabschnitt des Umbaus der Kyll in Gerolstein in die Brunnenstadt gekommen war, diesen Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU) überreicht und gemeinsam mit anderen wichtigen Vertretern den symbolischen Spatenstich für das Millionenprojekt getätigt hat. Seither ist auf der Baustelle nichts weiter passiert, dafür aber hinter den Kulissen (siehe Chronologie).
Inzwischen hat der Stadtrat in seiner Sitzung am Dienstagabend per einstimmigem Beschluss das Vorhaben auf Eis gelegt. SPD-Fraktionsvorsitzender Uwe Schneider begründete das so: "Wir sind für die Vertagung, weil wir gerne einige Dinge rechtlich prüfen lassen möchten. Ich denke, das ist angesichts der Summen gerechtfertigt."
Zudem wolle der Rat mit seinem Verhalten "ein Zeichen setzen, die Million doch nicht ausgeben zu wollen", sagte der Erste Beigeordnete Klaus Jansen.
Bereits seit Monaten gibt es viele Diskussionen - vor allem vonseiten der Grünen -, weil abzusehen war, dass die veranschlagte Obergrenze von einer Million Euro für den ersten Bauabschnitt überschritten wird (siehe Extra). Derzeit wird von 1,22 Millionen Euro ausgegangen: 990 000 Euro für den Ausbau des ersten Bauabschnitts sowie rund 230 000 Euro Planungskosten (die aber auch teilweise die Bauabschnitte II und III betreffen).
Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU) kündigte "in zwei bis drei Wochen eine Sondersitzung" des Stadtrats zu diesem Thema an. Dann soll das Vorhaben endgültig auf den Weg gebracht werden. Ein Baustart noch in diesem Jahr ist nun aber fraglich. Bereits vor Wochen hatte Bongartz gesagt: "Im Dezember fangen wir nicht mehr an."
Auf die Frage des TV, ob sich ein verspäteter Baustart schädlich auf den Landeszuschuss auswirken könne, sagte Hans-Josef Hunz, Büroleiter im Rathaus Gerolstein: "Im Augenblick habe ich keine Bedenken, dass Zuschussmittel ganz oder teilweise verfallen werden, denn die Zuschussmittel über 881 000 Euro sind bis zum 15. November 2016 abzurufen." Zudem könne, wenn nötig, eine Verlängerung beantragt werden.Erneute Beratung


Der Stadtrat musste sich am Dienstagabend nochmals mit dem Thema Kyllumbau befassen, weil Verbandsbürgermeister Matthias Pauly (CDU) den Beschluss zur Auftragsvergabe ausgesetzt hatte, da er ihn für unzulässig hielt. Der städtische Bauausschuss hatte beschlossen, im ersten von drei Bauabschnitten das Kyllufer im Bereich des Rathauses für etwa eine Million Euro gestalten zu lassen. Zudem sollte nachträglich mit der Baufirma, die den Zuschlag bekommen hatte, über umfangreiche Einsparungen verhandelt werden. Dieses Vorgehen kritisierte Pauly. Zudem monierte er, dass für den Auftrag nicht genügend Geld im Etat eingestellt ist. Dies sollte in der Ratssitzung am Dienstagabend korrigiert werden. Dazu kam es dann aber überraschenderweise nicht.
Die in der Angelegenheit ebenfalls eingeschaltete Kommunalaufsicht hat derweil in einem Punkt der Stadt den Rücken gestärkt. Zwei Bieter, die die günstigsten Offerten abgegeben hatten, waren nicht zum Zug gekommen. Die Stadt hatte sie vom Vergabeverfahren ausgeschlossen, weil sie ihre Angebote als fehlerhaft einstufte. Dagegen hatten sie Widerspruch eingelegt, den die Kommunalaufsicht nun aber zurückwies. Somit hat das Angebot der Firma Balter aus Losheim über knapp 990 000 Euro als günstigste Offerte Bestand.Meinung

Neue Souveränität
Sicher, von vornherein hätte der Rotstift massiver angesetzt werden sollen, um weit genug von der Million-Grenze wegzubleiben. Das weiß der Stadtrat jetzt auch - und ärgert sich selbst am meisten darüber, dass er mit einem positiven Projekt negative Schlagzeilen macht. Die aktuelle Verzögerung und erneuten Misstöne beim Kyllprojekt mögen daher auf den ersten Blick verstören. Kann in Gerolstein nicht mal was glatt laufen, könnte man sich fragen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Tatsache, dass der Stadtrat aktuell nicht auf Verwaltung und Rathauschef hört und erst einmal innehält, alles nochmal prüfen will, zeugt von neuer Souveränität. Und das ist zunächst einmal gut. Ob dies dazu führen wird, dass doch keine Mehrkosten anfallen, ist dennoch fraglich. m.huebner@volksfreund.deExtra

Das Kyllprojekt hat zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen dem Grünen-Stadtratsmitglied Tim Steen und Rathauschef Matthias Pauly (CDU) geführt. Steen: "Der Eine unterschreibt den Auftrag, der Andere hebt ihn auf. Ich habe den Eindruck, dass der ehrenamtliche Stadtbürgermeister von der Verwaltung schlecht beraten war. Und ich hatte gehofft, dass sich die Kommunikation zwischen Stadt- und Verbandsbürgermeister seit der Kommunalwahl verbessert hat. Daran zweifele ich jetzt." Pauly entgegnete: "Wir hatten zum früheren Stadtbürgermeister ein professionelles Verhältnis und zum Aktuellen auch - nur dass dieser auf menschlicher Ebene zugänglicher ist." Zu den Mehrkosten von 220 000 Euro sagte Steen: "Wir Grüne hatten diese stets angeprangert und zu verhindern versucht, sind aber ignoriert worden. Jetzt auf einmal soll es möglich sein, ohne Mehrkosten auszukommen. Genau so ein Vorgehen trägt dazu bei, dass Gerolstein in schlechtem Licht dasteht." Paulys Antwort: "Wenn Gerolstein in schlechtem Licht dasteht, dann deswegen, weil Leute wie Sie immer wieder auf demselben Thema rumkauen." mhExtra

Bereits das gesamte Jahr über beschäftigt der Kyllumbau die städtischen Gremien wie kein zweites Vorhaben. Was bisher geschah: 13. Oktober: Anstatt das fehlende Geld durch einen Nachtragshaushalt bereitzustellen und den Vergabebeschluss zu erneuern, vertagt der Stadtrat die Beschlüsse. In zwei bis drei Wochen soll es eine Sondersitzung geben. Anfang Oktober: Verbandsbürgermeister Matthias Pauly hebt den Beschluss des Bauausschusses zur Auftragsvergabe auf. Er sieht ihn als unzulässig an und kritisiert, dass im Haushalt nicht genug Geld für das Vorhaben eingestellt ist. Wegen Mehrkosten fehlen 220 000 Euro. Anfang Oktober: Kommunalaufsicht schmettert Widerspruch der Firmen ab und stärkt der Stadt Gerolstein im Vergabeverfahren den Rücken. 18. September: Offizieller Spatenstich durch Umweltministerin Höfken, die einen Scheck über 881 000 Euro mitbringt. Mitte September: Zwei Firmen, die die Stadt wegen formaler Fehler vom Vergabeverfahren ausgeschlossen hat, legen Widerspruch ein. 9. September: Bauausschuss beschließt Auftragsvergabe für den ersten Bauabschnitt an die Firma Balter aus Losheim, deren Angebot über 990 000 Euro das günstigste war. Samt Planungskosten kommen 1,22 Million Euro zusammen. Frühjahr/Sommer 2015: Gremien befassen sich mehrfach mit dem Projekt Stadt im Fluss. Grüne mahnen detaillierte Kostenschätzung an und befürchten, dass das Vorhaben mehr als die verschlagte Million kosten wird. Anfang 2015: Planungsbüro stellt Pläne für Kyllumbau in Bürgerversammlung vor. 80 Menschen sind anwesend. Dezember 2014: Stadtrat beschließt Etat 2015. Darin enthalten ist der erste Bauabschnitt des Kyllumbaus in Gerolstein. Er soll eine Million Euro kosten, das Land bezuschusst das Vorhaben mit 90 Prozent. mh

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