Keine leichte Kost

Ein dickes Lob und ein noch dickeres Ei hat die OECD der Bundesregierung gestern vor die Tür gelegt. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in der 30 große, demokratische Industriestaaten zusammengeschlossen sind, verlangt in ihrem Deutschlandbericht eine konsequente Fortsetzung der Reformpolitik.

Berlin. Gerade weil das Land sich wirtschaftlich als so stabil erweise, müsse es jetzt die Zeit nutzen. Doch die konkreten Vorschläge sind brisant. Denn die OECD unterstützt sowohl Positionen der SPD als auch Forderungen der Union. Ein positives Bild von Deutschland malte OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Vorstellung des Berichtes in Berlin. Das Land sei bisher von den Finanzmarkt-Turbulenzen und den Ölpreis-Steigerungen nicht stark in Mitleidenschaft gezogen worden, eine Verlangsamung des Wachstums sei im Gegensatz zu anderen G-7-Ländern bisher nicht eingetreten. Dank der zurückliegenden Reformen habe sich der Arbeitsmarkt stabilisiert und die Neuverschuldung stark verringert. Deutschland werde in diesem Jahr in der Nähe seines langfristigen Wachstumspotenzials von 1,5 Prozent bleiben. Um dieses Ziel zu halten, müsse die Regierung konsequent auf Reformkurs bleiben. Die konkreten Vorschläge, die Gurría machte, dürften den Koalitionsparteien allerdings schwer im Magen liegen. Zum Beispiel beim Mindestlohn: Zwar befürwortet ihn die OECD nicht, aber wenn er schon eingeführt werde, dann nicht von Branche zu Branche, sondern einheitlich und von einer unabhängigen Kommission festgelegt. Das ist genau die SPD-Position, gegen die die Union Sturm läuft. Oder beim Arbeitsmarkt: Der zweijährige Zuschlag beim Übergang von Arbeitslosgengeld I zum Arbeitslosengeld II müsse abgeschafft und der Kündigungsschutz gelockert werden, um weitere Anreize zur Beschäftigung zu geben. Diese Unions-Forderungen sind mit der SPD nicht zu machen. Und so ging es weiter. Gegen die CDU-Linie sind zum Beispiel die vorgeschlagene Abschaffung des Ehegattensplittings und das Nein der OECD zum Betreuungsgeld. Mit der SPD-Politik wiederum sind Studiengebühren nicht kompatibel. Die Abschaffung der beitragsfreien Mitversicherung von Ehegatten im Gesundheitssystem und die geforderte Abschaffung der Gewerbesteuer stoßen wohl bei beiden regierenden Parteien auf ein Nein. Gurría focht das nicht an. Der Bericht enthalte jene Vorschläge, die sich in 30 Mitgliedsländern als die besten herausgestellt hätten, meinte er. Er habe volles Vertrauen in die Regierung. Unterschiedliche Einschätzungen über den weiteren Konjunkturverlauf gab es gestern in zwei deutschen Studien. Das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut glaubt, dass die Wirtschaft von der Finanzkrise nicht unberührt bleibt. Nur 1,3 Prozent Wachstum seien in diesem Jahr drin, so die aktuelle Frühjahrsprognose. Die Dresdner Bank schätzt die deutsche Wirtschaft als widerstandsfähiger ein und prognostizierte ein Plus von 1,8 Prozent in diesem und 2,2 Prozent im nächsten Jahr.

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