Gesucht: Hose in Größe 40

Es gab Zeiten, da fanden sich auch alte Menschen beim Einkaufsbummel problemlos zurecht. Doch heutzutage sind Bedienungen, die mit Rat und Tat durch den Angebotsdschungel führen, rar geworden. In Trier gibt es eine Initiative, die nach Terminabsprache Senioren Einkaufsberater an die Seite stellt. Ein Modell mit Zukunft und Nachahmungscharakter.„Ist das riesig hier.“ Zwei alte Damen blicken sich staunend im Karstadt um. Sie suchen den Aufzug zur ersten Etage. Dort erwartet sie die Einkaufsbegleiterin Erika Wuttke. Die drei Frauen haben um 16 Uhr eine Verabredung in der Abteilung Damenmode. Denn die 87-jährige Elisabeth Kalka braucht eine neue Hose. Ihre Schwester, die 90-jährige Maria Heufs, begleitet sie. Die beiden rüstigen „kölschen Mädchen“ leben seit sechs Jahren in der Trierer „Residenz am Zuckerberg“. An der Kasse treffen die beiden Schwestern ihre Einkaufsberaterin. Hände werden geschüttelt und Elisabeth Kalka äußert ihren Wunsch: Eine schwarze Hose in Größe 40 soll es sein. Erika Wuttke geleitet die beiden Rentnerinnen zu einem Kleiderständer, an dem sich Hose an Hose reiht. Die Verkäuferin greift zielsicher ein Modell aus dem riesigen Angebot heraus. „Die sieht aber breit aus.“ „Das ist aber ihre Größe“, versichert die Einkaufsassistentin. Kundin Kalka befühlt den Stoff. „Der ist aber dünn.“ Eigentlich wollte sie eine dickere Qualität. Pech. Die Winterware ist schon gegen Sommerware ausgetauscht. Sind die Zweifel ausgeräumt, fällt die Entscheidung Nun regt sich in der Seniorin ein Zweifel bezüglich der Farbe. „Das ist doch Blau“, beäugt sie argwöhnisch die Beinkleider. Die erfahrene Verkäuferin kann sie letztlich davon überzeugen, dass es sich eindeutig um Schwarz handelt. Aber dann ist da noch der Preis. „Die ist aber so billig“, äußert die Seniorin weitere Bedenken. Dennoch lässt sie sich von Frau Wuttke in die Umkleidekabine geleiten. Erstaunlich fix hat die alte Dame ihre Hose gegen die neue getauscht und tritt mit fragendem Blick wieder aus der Kabine. „Drehen Sie sich mal“, fordert Erika Wuttke die 87-Jährige mit prüfendem Blick auf. „Sitzt perfekt.“ „Sie ist nur zu lang. Aber das ist kein Problem“, sagt sie und geht in die Hocke. Sie schlägt beide Hosenbeine um. „Das können wir kürzen.“ Maria Heufs erzählt derweil von ihren eigenen Verkaufs-Erfahrungen als ehemalige Geschäftsinhaberin. Ihre Schwester, die gerade den Sitz der Hose am Po abtastet, sei früher Laborantin in der Pathologie der Uniklinik Köln gewesen. „Ist die am Po nicht zu weit?“, fragt Elisabeth Kalka unsicher. „Nein, die passt“– darin stimmen Schwester und Verkäuferin überein. „Ich versuch mich mal noch damit zu setzen“ Auch diesen Test besteht die Hose. Die Kaufentscheidung ist getroffen. Aber ein kleiner Zweifel trennt Elisabeth Kalka dann doch noch vom endgültigen „Ja“ zur Hose: „Soll ich nicht noch eine andere anprobieren? So schnell ging das bei mir noch nie“. Tatsächlich ist erst eine halbe Stunde vergangen. „Ich kann normalerweise den ganzen Nachmittag.“ „Vielleicht noch eine Jeans?“, fragte die Assistentin in die Runde. „Besser nicht, das ist zu jugendlich“, entscheidet die 87-Jährige. Auf dem Weg zur Kasse erzählen sie und ihre Schwester noch vom Krieg und politisieren über die aktuelle Lage in der Welt. Auch ihre kleinen persönlichen „Zipperlein“ werden nicht verschwiegen. Geduldig hört die Verkäuferin mit einem freundlichen Lächeln zu. Die Frauen sind gut gelaunt. „Die Chemie zwischen uns hat gestimmt“, resümiert die Einkaufsassistentin. Jetzt wollen die beiden Schwestern noch ein Tässchen Kaffee trinken und entschwinden nach kräftigem Händeschütteln, nicht ohne vorher noch zu fragen, ob denn Frau Wuttke auch da sein wird, wenn sie in ein paar Tagen wiederkommen, um die gekürzte Hose abzuholen. Ein gutes Gefühl – sie wird. Sybille Schönhofen EXTRA



Einkaufsberater: Der Idee der City-Initiative Trier, Senioren auf Wunsch einen Einkaufsbegleiter zur Seite zu stellen, haben sich bislang vier Geschäfte angeschlossen:

Karstadt (0651/ 469119), Hochstetter (0651/ 71620), Modehaus Marx (0651/ 46090) und die Wäschegalerie Heinemann (0651/ 73114).
Nach telefonischer Vereinbarung eines Termins steht ein Mitarbeiter für Senioren bereit, um ihnen behilflich zu sein. Davon profitieren vor allem gehbehinderte Menschen mit Rollator oder Rollstuhl, deren Mobilität eingeschränkt ist.

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