Hohe Hürden für Nachzahlungen an Zeitarbeiter

Erfurt (dpa) · Nachschlag für Zeitarbeiter? In gewissen Fällen ja, sagen die Bundesarbeitsrichter in Erfurt. Doch wegen Verjährungsfristen und Verfallsklauseln dürfte es für viele schwer werden, tatsächlich Geld zu bekommen. Leiharbeiter sollten ihre Rechte kennen.

 Leiharbeiter sollten sich genau über ihre Rechte informieren und bei Vertragsabschluss auf gewisse Klauseln und Formulierungen achten. Foto: Martin Schutt

Leiharbeiter sollten sich genau über ihre Rechte informieren und bei Vertragsabschluss auf gewisse Klauseln und Formulierungen achten. Foto: Martin Schutt

Zeitarbeitern steht die gleiche Bezahlung wie Beschäftigten der Stammbelegschaft zu, wenn ihre Verleihfirmen keinen gültigen Tarifvertrag haben. Das entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (5AZR 954/11). Allerdings müssen Betroffene ihre Ansprüche innerhalb bestimmter Fristen anmelden - in der Regel drei Monate -, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollen. Außerdem bestätigte das höchste deutsche Arbeitsgericht die Verjährungsfrist von drei Jahren für den Anspruch auf gleiche Bezahlung. Arbeitsrechtler halten es nach der Entscheidung in den verhandelten Fällen für schwer, dass Zeitarbeiter ihre finanziellen Ansprüche für zurückliegende Jahre durchsetzen können.

Leiharbeiter sind oft zu schlechteren Bedingungen als die Stammbelegschaft beschäftigt. Doch auch sie haben Rechte. Bei Abschluss eines Vertrages sollten sie auf bestimmte Klauseln und Formulierungen achten: Denn die Fallstricke seien immer wieder die gleichen, sagt Helga Nielebock vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB):

Lohn in verleihfreier Zeit: Leiharbeiter haben auch dann Anspruch auf den vollen Lohn, wenn sie aktuell nirgendwo im Einsatz sind. „Dabei gibt es einen Mindestlohn“, erklärt Nielebock. Dieser richte sich nach der Verordnung über die Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung und liege in den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bei 7,50 Euro. In allen anderen Bundesländern bei 8,19 Euro.

Branchenzuschläge beachten: Viele Tarifverträge sehen für Leiharbeiter in der Metall-, Chemie- oder Elektroindustrie Branchenzuschläge vor. „Oft werden die in den einzelnen Verträgen dann aber unterlaufen“, so Nielebock. Arbeitnehmer sollten deshalb genau prüfen, ob sie einen entsprechenden Anspruch haben.

Betriebsrat ansprechen: Der Betriebsrat beim Entleiher ist auch für Leiharbeiter zuständig, sagt Nielebock. Viele wüssten aber nicht, dass sie sich bei Fragen und Problemen an ihn wenden und zur Sprechstunde gehen können. Zudem wurde nun beschlossen: Bei der Gründung von Betriebsräten müssen künftig Leiharbeiter mit berücksichtigt werden. Demnach sind Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Beschäftigtenzahl eines Unternehmens grundsätzlich einzurechnen. Ob in einer Firma ein Betriebsrat gegründet werden kann und wie groß das Gremium ist, richtet sich nach der Zahl der in der Firma beschäftigten Mitarbeiter. Mit der jetzigen Entscheidung zählen Leiharbeiter bei der entscheidenden Betriebsgröße wie Festangestellte.

Ausschlussfristen: Lohnforderungen, Nachtzuschläge oder Krankengeld - bekommen Leiharbeiter weniger Lohn als ihnen zusteht, können sie diesen nur aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen in einer bestimmten Zeitspanne gerichtlich einklagen. „Diese Ausschlussfrist muss mindestens drei Monate lang sein“, erläutert Nielebock. In vielen Verträgen werde die Länge der Ausschlussfrist jedoch unterlaufen - und verkürzt.

Bei der Gründung von Betriebsräten müssen künftig Leiharbeiter mit berücksichtigt werden, entschied das Bundesarbeitsgericht in Erfurt (7 ABR 69/11). Demnach sind Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrates maßgeblichen Beschäftigtenzahl eines Unternehmens grundsätzlich einzurechnen. Ob in einer Firma ein Betriebsrat gegründet werden kann und wie groß das Gremium ist, richtet sich nach der Zahl der in der Firma beschäftigten Mitarbeiter. Mit der jetzigen Entscheidung zählen Leiharbeiter bei der entscheidenden Betriebsgröße wie Festangestellte. Der Siebte Senat gab damit seine frühere Rechtsprechung auf. Noch im Jahr 2003 und zuletzt 2004 ging das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass Leiharbeitnehmer nicht als Betriebsangehörige gelten.

Mit diesem Urteil könnten sich die Betriebsratsgremien in vielen Unternehmen bei den Wahlen 2014 erheblich vergrößern, erklärte der Nürnberger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Marc-Oliver Schulze. „Die Schlagkraft der Arbeitnehmervertretungen wird sich sichtbar erhöhen.“ Das Urteil ermögliche nun auch in vielen kleineren Betrieben die Gründung eines Betriebsrats. Außerdem werde mit der Entscheidung der Missbrauch der Leiharbeit erschwert. Bereits Ende Januar hatte das Bundesarbeitsgericht geurteilt, dass Leiharbeitnehmer bei der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes in einem Betrieb mitzählen.

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