Wenn der Geißbock abends Fußball guckt

Köln · So etwas gibt es wohl nur beim 1. FC Köln - dem Traditionsclub aus der Domstadt, der schon seit vielen Jahren nur noch mittelklassigen Fußball spielt und beständig zwischen erster und zweiter Bundesliga hin- und hertingelt.

 Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig: Hennes der Siebte am 14. September 2006 an der Seitenlinie im RheinEnergieStadion.

Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig: Hennes der Siebte am 14. September 2006 an der Seitenlinie im RheinEnergieStadion.

Foto: dpa

Bei dem die Fans jedoch noch immer von Duellen mit dem FC Barcelona oder dem AC Mailand in der Champions League träumen, während ihr "Äffzeh" auf dem Rasen des RheinEnergieStadions gegen Jahn Regensburg oder den SV Sandhausen spielt.

Außer den großen Idolen Franz Kremer und Lukas Podolski verehren die Fans vor allen Dingen ihren Hennes - Hennes den Achten, um genau zu sein.Hennes ist ein Geißbock und mittlerweile in achter Generation in seiner Funktion als Wappentier des 1. FC Köln im Amt. Bei jedem Heimspiel steht Hennes der Achte als Glücksbringer mit seinen beiden Herrchen an der Seitenlinie - doch was jetzt kommt, gibt es, wie gesagt, wohl wirklich nur in Köln. Während Hennes in früheren Jahren noch im Mannschaftsbus mit zu den Auswärtsspielen fuhr, reist er heute nicht mehr mit durch die Republik. Heute verfolgt das Tier die Auswärtsspiele seines Vereins entspannt im heimischen Stall in Köln-Junkersdorf, und zwar vor seinem eigenen Flachbildschirm. Ja, richtig gelesen: ein Geißbock mit eigenem Flachbildschirm im Stall. Und damit den behörnten Fußballfanatiker bei seinen Fernsehabenden auch niemand stört, haben sie ihm rund um die Uhr eine Person vom Sicherheitsdienst vor den Stall gestellt. Schließlich fänden sich sicherlich genügend Fans der Konkurrenten aus Mönchengladbach, Leverkusen oder Düsseldorf, die den Kölner Hennes gerne einmal aus seinem Stall entführen würden. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, woher der Autor solche Vereinsinterna kennt. Ganz einfach: Er hat sie aus erster Hand erhalten, und zwar auf einer Führung durch das RheinEnergieStadion, dem ehemaligen Müngersdorfer Stadion - ein Muss, nicht nur für jeden Fan des 1. FC Köln, sondern für jeden Fußballinteressierten.Die rund 90-minütige Tour, die von der Kölner Sportstätten GmbH organisiert wird, startet im FC-Museum unter der Nordtribüne des Stadions. Das Museum steckt voller Erinnerungen an bessere Tage des Vereins: Stadionführerin Frauke Strecker begrüßt die Teilnehmer zwischen Meisterschalen und Fotos von mittlerweile ergrauten FC-Legenden wie Toni Schumacher oder Wolfgang Weber. An der Fensterscheibe prangt in weißen Lettern "Das Real Madrid des Westens" - schöne alte Zeit.Dann geht es los in den Innenraum des 2004 fertiggestellten Stadions, das der Stadt Köln gehört und für das der Verein derzeit mehr als drei Millionen Euro an Miete im Jahr überweisen muss. Auf dem Unterrang der Nordtribüne heißt es zum ersten Mal Platz nehmen. Loge kostet ab 60 000 Euro Frauke Strecker gibt ein paar allgemeine Informationen zum Stadion. So zum Beispiel, dass der FC pro Spiel bis zu 3100 Logengäste begrüßt und dass eine Loge nur für ein ganzes Jahr gemietet werden kann und dann zwischen 60 000 und 130 000 Euro kostet. Oder dass sich das Stadion in der Adventszeit in einen riesigen Adventskranz verwandelt, bei dem die vier leuchtenden 70 Meter hohen Stadionpfeiler die Kerzen bilden. "Viele Leute rufen in dieser Zeit dann im Stadion an, um darauf aufmerksam zu machen, dass nur eine oder zwei der Pfeiler leuchten und die restlichen wohl kaputt seien", berichtet Strecker. Daraufhin werde den Anrufern jedes Mal erklärt, dass das so gewollt sei und die Pfeiler lediglich für Adventskerzen stehen. Weiter geht es danach in die Zone des Stadions, die die Stadionführerin wie folgt beschreibt: "Der Bereich, in den die Zuschauer nicht dürfen und die Spieler meist nur ungern wollen." Es geht in den Pressebereich und in den Pressekonferenzraum: "In Sachen Pressekonferenzraum ist der 1.FC Köln deutscher Meister", betont Strecker. "Denn mit 400 Plätzen ist er der größte im deutschen Fußball." Nach dem Pressebereich geht es im Aufzug nach oben in die Logen der Westtribüne. Neben einem phantastischen Blick auf das Spielfeld und äußerst gemütlichen Sitzen gibt es eine nette Anekdote, die sich hier während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 abspielte. Wie Frauke Strecker berichtet, mussten damals für den Besuch von FIFA-Chef Sepp Blatter eigens zwei Logensitze abmontiert und ein neuer angebracht werden, da der Schweizer das von ihm besuchte WM-Spiel unbedingt auf einem Platz beobachten wollte, der genau auf Höhe der Mittellinie lag. "Da es jedoch keinen Logenplatz gab, der diese Voraussetzung erfüllte, mussten zwei Sitze abmontiert und ein neuer auf Höhe der Mittellinie installiert werden", erzählt Strecker. Bevor die Führung dann ihrem Ende entgegengeht, dürfen sich die Teilnehmer noch einmal wie echte Profis fühlen. Durch den Spielertunnel geht es hinauf auf das Spielfeld. Hier laufen die Profis der Heim- und der Gastmannschaft an Spieltagen hinaus in die Arena. Vor ihnen liegen dann lediglich noch zwei Glastüren: Für Gäste bleibt das Hinterteil Und hier kommt noch einmal Hennes ins Spiel, Sie wissen schon, Hennes der Achte, der Flachbildschirm-Besitzer aus Köln-Junkersdorf.Sein Konterfei prangt nämlich auf beiden Türen. Die Spieler des FC benutzen dabei stets die rechte Tür, auf der die Frontansicht des Geißbocks zu sehen ist, er lacht die Kölner Spieler förmlich an. Die Spieler der Gästemannschaft müssen dagegen durch die linke Tür, auf denen lediglich Hennes' Hinterteil zu sehen ist. Was für eine nette Begrüßung. Aber auch so etwas gibt es wohl nur in Köln.

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