Die Kulturwoche, betrachtet von Rainer Nolden Niemals geht man so ganz – oder doch?

Waynesville im US-Bundesstaat Missouri gehört nicht zu den Hotspots der täglichen Berichterstattung. Oder hat einer der geneigten Leser schon mal von der 5230-Einwohner starken (Stand: 2017) Ortschaft gehört?

Danke, bitte wieder setzen. Dennoch hat die  Kleinstadt jetzt doch einmal den Weg in eine deutsche Nachrichtenagentur gefunden. Aus traurigem Anlass: Sie ist die jüngste von insgesamt 1400 amerikanischen Städten und Gemeinden, die in den zurückliegenden 15 Jahren ihre Zeitung verloren haben: „The Daily Guide“. Das Neueste aus dem Gemeinderat? Nada! Der Sieg der Jugendsportmannschaft der örtlichen Highschool? Pustekuchen! Die Kritik zum neuesten Spielfilm? So what? Der nächtliche Unfall auf dem Highway 44? Na und? Die Müllabfuhrtermine? Schafft euren Dreck doch alleine weg! Die Wettervorhersage? Schaut doch aus dem Fenster! Und die jüngsten Narreteien der Idiotentruppe im Weißen Haus in Washington? Ach nee, da möchte man eigentlich gar nichts mehr von hören …

Das mag dem einen oder anderen jetzt gerade etwas düster erscheinen, aber die Waynesviller müssen ab sofort mit der journalistischen Dunkelheit klarkommen. „Eine Zeitung zu verlieren“, sagt der 63-jährige Keith Pritchard, der die Security Bank of Pulaski County leitet und sein ganzes Leben in der Region verbracht hat, „ist so, als würde die Stadt ihren Herzschlag verlieren“.

Andere Bewohner beklagen, dass sie von Veranstaltungen, die sie gerne besucht hätten, nur noch im Nachhinein erführen, wenn irgendjemand etwas darüber auf Facebook poste. „Ich vermisse die Zeitung“, sagte der Rentner Bill Slabaugh. Und „die Möglichkeit, sich mit einer Tasse Kaffee und einem Bagel oder einem Donut hinzusetzen“ und sich in aller Ruhe zu informieren, „was in der Gemeinde los ist“.

2010 hatte „The Daily Guide“ noch vier Vollzeit-Redakteure sowie einen Seitengestalter und drei Anzeigenverkäufer. Doch nach und nach verließen die Mitarbeiter das Blatt; ihre Stellen wurden nicht neu besetzt. Seit dem vergangenen Frühjahr erschien die Zeitung nicht mehr an fünf, sondern nur noch an drei Tagen pro Woche. Im Juni kündigte die letzte Redakteurin Natalie Sanders – laut eigenen Angaben wegen Überlastung. Drei Monate später, am 7. September, wurde die letzte Ausgabe gedruckt. „Es hat sich angefühlt, als wäre ein alter Freund gestorben“, sagt Sanders. „Ich saß da und habe geweint.“

Tja, und welche Schlüsse ziehen wir daraus? Am besten nicht nach Waynesville umziehen, wenn man auf dem Laufenden bleiben will.
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