Stürmische Zeiten: Klimaforscher rechnen mit noch mehr Unwettern

Trier · Die Zeit der Unwetter ist noch nicht vorbei. Meteorologen sagen weitere Starkregen und lokale Überflutungen voraus. Extreme, auf die die Gesellschaft sich generell einstellen sollte. Denn Klimaexperten rechnen mit einer Zunahme von Gewittern, Tornados und Sturzfluten. Das befeuert die Debatten um Hochwasserschutz, Nothilfen und Versicherungspflicht.

 Nach einem schweren Unwetter haben sich in Isenburg Sturzbäche gebildet. Foto: Thomas Frey

Nach einem schweren Unwetter haben sich in Isenburg Sturzbäche gebildet. Foto: Thomas Frey

Trier. Entwarnung geben die Meteorologen noch nicht. Auch in dieser Woche kann es bei Temperaturen um die 20 Grad lokal zu Starkregen und Unwettern kommen. Und wieder sind stellenweise Überflutungen möglich. "Das Wetter hat einen tropischen Anstrich", sagt TV-Wetterexperte Dominik Jung. Bis Sonntag sei keine Entspannung in Sicht.
Dabei sind neue Überflutungen das Letzte, was die zig Dörfer und Städte der Region gebrauchen können, die von der heftigen Unwetterserie der vergangenen Wochen betroffen waren. Seit diese am 26. Mai startete, gab der Deutsche Wetterdienst mehr als 3000 Unwetterwarnungen heraus, diverse davon auch für die Region Trier. Tornados zogen durch Deutschland, Wassermassen und Schlammlawinen verwüsteten Städte und Dörfer, mehr als zehn Menschen starben, über 100 weitere wurden alleine in Rheinland-Pfalz bei Blitzeinschlägen verletzt. Und Hagel zerstörte mancherorts die Ernte. "Das gab es noch nie zuvor", sagt Jung. "Das Ausmaß des Unwettergeschehens ist absolut außergewöhnlich", betont auch der DWD.

Wie konnte es so weit kommen?
Dass in Deutschland stellenweise ungeheure Regenmengen fielen, ist einer Wetterlage zu verdanken, die seit Wochen anhält. Aus Osten kommt immer wieder sehr warme Luft, vom Westen hält kühlere Luft dagegen. Die daraus resultierenden Tiefs drehen sich tagelang am Fleck. Besonders heftig wirkte sich dies bei den Tiefs Elvira und Friederike aus. Sie zogen so langsam, dass extreme Niederschläge an einzelnen Orten zu Sturzfluten führten.

Beweist das, dass der Klimawandel real ist?
"Bei Wetterextremen wie den jüngsten Starkregenereignissen sollte nicht die Frage im Vordergrund stehen, ob sie den Klimawandel beweisen", sagt Ulrich Matthes, Leiter des rheinland-pfälzischen Kompetenzzentrums für Klimawandelfolgen. Vielmehr solle man fragen, ob und wie der Klimawandel die Häufigkeit oder Stärke bestimmter Wetterextreme verändert.

Sind diese Zusammenhänge bewiesen?
Die Wetterbeobachtung spricht dafür, dass es tatsächlich Veränderungen gibt. "In den vergangenen Jahren haben wir beobachtet, dass Unwetter in ihren Begleiterscheinungen immer heftiger werden", sagt der Meteorologe Jung. Die Atmosphäre habe sich stetig erwärmt. Warme Luft könne mehr Feuchtigkeit aufnehmen, und so bildeten sich vermehrt Gewitter mit Starkregen.

Gibt es eindeutige Aussagen für Deutschland?
Dem Klimaforscher Matthes zufolge ist die Zunahme von Extremniederschlägen global schon statistisch nachzuweisen. Durch die Erwärmung sei der Wasserdampfgehalt der Atmosphäre um fünf Prozent gestiegen. Für Deutschland jedoch sei die Datenlage für eine gesicherte Aussage noch zu gering. Der Weltklimarat rechnet in den kommenden Jahrzehnten mit einer weiteren Zunahme von Gewittern und extremen Niederschlägen. Heftigere Unwetter könnten auch zu mehr Tornados führen (siehe Extra).
Der DWD geht auf Grundlage von Klimamodelldaten davon aus, dass sich die Zahl von Tiefdruckgebieten wie Elvira und Friederike bis zum Jahr 2100 um 20 Prozent erhöht. Auch dafür, dass diese Tiefs so langsam sind, haben die Experten eine mögliche Erklärung: Es könnte daran liegen, dass sich die Arktis durch den Klimawandel wesentlich stärker erwärmt hat als südlichere Breiten, was zu schwächeren Westwinden führt.

Wie können Gemeinden ihre Bürger besser schützen?
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) hat den Kommunen in Rheinland-Pfalz bei einem Hochwassergipfel in Mainz am Dienstagabend die Unterstützung des Landes bei der Hochwasservorsorge angeboten. "Die Starkregen und Überschwemmungen der vergangenen Wochen haben große Schäden angerichtet. Aufgrund des Klimawandels müssen wir solche Extremereignisse in die Hochwasserschutzpolitik einbeziehen - auch in Gebieten, die bisher nicht von Hochwasser betroffen waren", sagte Höfken bei einem Runden Tisch in Mainz, zu dem sie Landräte, Verbands- und Oberbürgermeister aus ganz Rheinland-Pfalz eingeladen hatte. Die Ministerin kündigte an, dass das Umweltministerium eine Million Euro zusätzlich zur Schadensbeseitigung und Vorsorge bereitstellen werde. Sie rief die Kommunen dazu auf, die Förderprogramme des Landes anzunehmen: "Wir können Hochwasser nicht verhindern, aber wir können uns darauf vorbereiten und damit Schäden erheblich mindern."

Wie sieht die Förderung seitens des Landes konkret aus?
Das Land fördert etwa die Erstellung kommunaler Hochwasserschutzkonzepte zu 90 Prozent. Dabei werden in einer Gemeinde zusammen mit den Bürgern technische Hochwasserschutzmaßnahmen entwickelt, aber auch Nachbarschaftshilfe organisiert oder über Elementarschadenversicherungen informiert. Ob das Überflutungen tatsächlich verhindern kann, wenn es so schüttet, wie in den vergangenen Wochen, ist fraglich. Vielerorts regnete es 110 bis 150 Liter pro Quadratmeter. Statistisch gesehen kommt so etwas seltener als einmal in 100 Jahren vor. Ein Restrisiko wird nach Ansicht der Wasserbehörde SGD Nord bleiben.
Betroffene Bürgermeister bringen zum Teil konkrete Ideen mit zum Gipfel. "Wir haben dem Umweltministerium vorgeschlagen die Hochwasserpartnerschaften Salm, Lieser, Alf und Ueßbach wieder aufzugreifen und Rückhalteeinrichtungen zu realisieren", sagt Werner Klöckner, Bürgermeister der hart getroffenen Verbandsgemeinde Daun.

Was unternimmt das Land in Sachen Hochwasserschutz?
Rheinland-Pfalz hat in den vergangenen 25 Jahren rund eine Milliarde Euro in den Hochwasserschutz investiert. Allein 2016 fließen 40 Millionen Euro für die Sanierung von Dämmern und den Bau technischer Hochwasserschutzanlagen. Weitere 20 Millionen Euro werden benötigt, um Gewässer zu renaturieren. "Wir müssen unseren Flüssen und Bächen wieder mehr Raum geben und damit den Wasserrückhalt in der Fläche vergrößern", sagt Umweltministerin Höfken. Die zuständige Wasserbehörde SGD Nord hat zudem in den beiden vergangenen Jahren an 13 rheinland-pfälzischen Gewässern auf einer Länge von 325 Flusskilometern Überschwemmungsgebiete festgesetzt. Dort darf nur ausnahmsweise gebaut werden. Landesweit gibt es an allen großen Flüssen 25 kommunale Hochwasserpartnerschaften. Gemeinden informieren sich so über Hochwassergefahrenkarten und tauschen Erfahrungen zu Alarm- und Einsatzplänen aus. Hochwassermeldezentren informieren über die Pegelstände.

Gibt es für Betroffene finanzielle Hilfen?
Die Schäden, die das Hochwasser in der Region hinterlassen hat, dürften in die Millionen gehen. Und viele Hausbesitzer sind nicht gegen solche Wetterextreme versichert (siehe Text unten). Die CDU fordert daher schnelle, unbürokratische Hilfe. So sagt Michael Billen, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion: "Die Landesregierung darf die betroffenen Gebiete nicht im Stich lassen. Sie brauchen unbürokratische Hilfe. Wir hoffen, dass die Bürgermeister und Landräte nicht mit leeren Händen nach Hause gehen."
Höfkens Umweltministerium will eine Million Euro zur Schadensbeseitigung und Vorsorge bereitstellen. Das Innenministerium, das für solche Hilfen im kommunalen und privaten Bereich zuständig wäre, hat bisher keine Zusagen gemacht. Konkrete Anträge von Kommunen lägen nicht vor, sagt Pressesprecher Joachim Winkler. Die zuständigen Kreisverwaltungen seien derzeit dabei, den Schadensumfang zu ermitteln.
Es bestehe kein Rechtsanspruch auf Nothilfen, betont Winkler. Sie dienten auch nicht dazu, das persönliche Lebensrisiko oder das Unternehmerrisiko auszugleichen oder die Eigenvorsorge zu ersetzen. Dass Finanzhilfen gezahlt werden, sei im Einzelfall zudem daran geknüpft, dass die Geschädigten durch das Schadensereignis unverschuldet in eine außergewöhnliche Notlage geraten sind. Mit einem warmen Geldsegen sollten Betroffene also eher nicht rechnen.

Allerdings bieten einige regionale Banken nach dem Hochwasser Sonderkredite an - zum Beispiel 50 000 Euro für 0,5 Prozent effektiven Jahreszins. "Wir haben uns dazu entschieden, weil in der Vulkaneifel viele Orte und auch viele Firmen betroffen sind und Hilfe brauchen", sagt Alois Manstein von der Kreissparkasse Vulkaneifel. Dieser Teil der Eifel wurde besonders hart getroffen. Laut Kreisverwaltung wurden 420 Gebäude, Wege oder sonstige Anlagen beschädigt. In der gesamten Region Trier waren es 716. Beim Blick in den bleigrauen Himmel dürfte so manchem erneut bang werden.
Unter www.hochwasser-rlp.de können Frühwarnungen für kleinere Gewässereinzugsgebiete abgerufen werden. Hier kann man sich auch über die aktuellen Pegelstände der großen und mittleren Gewässer informieren. Ob und in welcher Form Anlieger an Flüssen betroffen sind, kann über www.hochwassermanagement.rlp.de in Erfahrung gebracht werden.

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