Frostige Stimmung in der Koalition

Berlin. Die Diskussion über die Rolle von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Fall des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz entwickelt sich immer mehr zu einem ernsthaften Koalitionszwist. Der Fall war deshalb auch Thema eines Treffens zwischen SPD-Chef Kurt Beck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Das Vier-Augen-Gespräch zwischen Kurt Beck und Angela Merkel fand kurz vor Beginn des Koalitionsausschusses am Montagabend statt. Unbemerkt von den anderen Teilnehmern ließ der SPD-Chef zehn Minuten lang Dampf ab: Einzelne aus der Union würden versuchen, das Ansehen von Außenminister Steinmeier zu beschädigen, soll Beck nach Informationen des Trierischen Volksfreunds der Kanzlerin verärgert gesagt haben. Das schade der Koalition gerade im Jahr der EU-Ratspräsidentschaft, warnte Beck weiter. Und es gebe erkennbar welche in der Union, die mit ihrer Kritik am Bundesaußenminister im Nachhinein die ehemalige rot-grüne Bundesregierung diskreditieren wollten. Merkel und Beck vereinbarten demnach eine "faire" Aufklärung der Vorwürfe. Es steht derzeit nicht gut um das Klima in der großen Koalition. Der Fall des ehemaligen Guantánamo-Häftlings Murat Kurnaz und die Frage, welche Rolle der damalige Kanzleramtschef der rot-grünen Regierung und heutige Außenministers Frank-Walter Steinmeier (SPD) dabei gespielt hat, werden zunehmend zur Belastung für das Bündnis aus Union und SPD. Denn immer mehr Unionspolitiker stellen Steinmeiers Glaubwürdigkeit infrage, was den Koalitionspartner im Gegenzug mächtig erzürnt. Der Minister sieht sich seit Wochen dem Vorwurf ausgesetzt, er sei 2002 als Kanzleramtschef nicht auf ein Angebot der USA zur Freilassung von Kurnaz eingegangen. SPD-Fraktionschef Peter Struck meinte gestern, dass "jetzt alte Rechnungen" beglichen würden "mit Hilfe amerikanischer Quellen". Einige in der Union wollten die damalige Regierung noch "abstrafen" für ihre Haltung zum Irak-Krieg. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach, einer der Steinmeier-Kritiker, entgegnete: "Mir geht es um die Wahrheit. Wenn das schon als unbotmäßige Kritik verstanden wird, dann macht ein Untersuchungsausschuss keinen Sinn." Gegenüber unserer Zeitung räumte ein anderer hochrangiger Christdemokrat jedoch ein: "Mancher ist auch noch sauer darüber, wie Gerhard Schröder 2002 mit dem Irak Wahlkampf gegen uns geführt hat." Es herrscht also frostige Stimmung zwischen Union und SPD. Schon bei der gemeinsamen Fraktionsvorstandsklausur vergangene Woche nahe Potsdam soll der Umgang mit dem Fall Steinmeier "abends beim Bier" ein Thema gewesen sein. Für den parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, ist die Angelegenheit allerdings keine Belastung für die Koalition. "Wir legen Wert auf einen fairen Umgang, auch mit unserem Koalitionspartner." Doch hinter den Kulissen rumort es: Seitens der Sozialdemokraten habe es in den vergangenen Tagen mehrfach die Bitte um freundliche und "sachgerechte Behandlung" des Ministers gegeben, bestätigte gestern CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. "Das wabert überall zwischen allen Türen und Angeln."

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