SPD treibt weiter im Chaos

Der SPD-interne Streit über den Umgang mit den Linken wird immer chaotischer. Seit dem Wochenende gibt es auch Spekulationen über die politische Zukunft von Parteichef Kurt Beck.

Berlin. Während SPD-Chef Kurt Beck wegen einer schweren Virusgrippe weiter das Bett hüten muss, machen Gerüchte über angebliche Putschpläne die Runde. Dem "Spiegel" zufolge wollen Parteivize Peer Steinbrück, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Ex-Vizekanzler Franz Müntefering die Kanzlerkandidatur Becks verhindern und Außenminister Frank-Walter Steinmeier als Merkel-Herausforderer durchsetzen.Von Verschwörung will keiner etwas wissen

Steinmeier wies den Bericht als "Unsinn" zurück. Becks Amtsvorgänger Platzeck, der den Parteivorsitz wegen einer Erkrankung niederlegt hatte, ließ verbreiten, derlei Pläne seien "absoluter Blödsinn". Mit einer offenen Kritik an der neuen Marschrichtung Becks hatte der Potsdamer Regierungschef allerdings selbst Zweifel an seiner Loyalität gegenüber dem Vorsitzenden genährt. Wer bei den Sozialdemokraten glaube, "der Linkspartei hinterherlaufen zu müssen, der riskiert, dass wir für jeden Wähler, den wir am linken Rand vielleicht gewinnen können, zwei, drei oder vier Wähler in der gesellschaftlichen Mitte verlieren", sagte Platzeck. Noch deutlicher wurde Parteivize Steinbrück, indem er Zweifel an den Führungsqualitäten Becks erkennen ließ. Kritik nur an der Kommunikation

Auf die Frage, ob es beim jüngsten Vorstandsbeschluss um den Umgang mit der Linkspartei oder um die Zukunft Becks gegangen sei, meinte Steinbrück: Eine solche Entwicklung müsse "intern besser kommuniziert und vorbereitet werden". Bereits in der vergangenen Woche waren Zweifel aufgekommen, ob Beck seinen engsten Parteifreunden noch vertrauen kann. Dabei ging es um einen geharnischten Brief von Michael Naumann an Beck, von dem der vormalige Spitzenkandidat für die Hamburg-Wahl behauptete, er sei nur deshalb öffentlich geworden, weil ihn die "SPD-Zentrale nach außen gespielt" habe. Dort müsse es "viele Feinde von Beck geben", schlussfolgerte Naumann. Am Montag hatte der Parteivorstand mit nur einer Gegenstimme Becks neuen Kurs gebilligt, wonach sich die hessische Sozialdemokratin Andrea Ypsilanti auch mit den Stimmen der Linken zur Hessen-Ministerpräsidentin wählen lassen kann. Bislang war Beck strikt gegen eine wie auch immer geartete Kooperation seiner Partei mit den Linken im Westen. Steinbrück, der für den Richtungswechsel im Vorstand ebenfalls die Hand gehoben hatte, kritisierte diese Beschlusslage anschließend gleich mehrfach in aller Öffentlichkeit. Er halte es "für falsch, sich in Hessen von der Linkspartei auch nur dulden zu lassen", sagte Steinbrück erst vor zwei Tagen in einem Interview. Unterstützung kam dagegen von der Parteilinken: Andrea Nahles, auch sie ist SPD-Vize, meinte, "Kurt Becks Kurs ist richtig". Die Linkspartei sei eine Realität, die man "zur Kenntnis nehmen" sollte.Alle Augen ruhen auf Steinmeier

Alle Augen richten sich nun auf die dritte Person in Becks Stellvertreter-Riege: Außenamtschef Frank-Walter Steinmeier hat in der Linksdiskussion bislang geschwiegen. Er wird aber die heutige Sitzung des Parteirates leiten, denn Beck hat wegen seiner Erkrankung auch für die kommende Woche alle Termine abgesagt. Im Parteirat sitzen die Landes- und Bezirksvertreter der SPD. Seine Beschlüsse haben nur empfehlenden Charakter. Was eine mögliche Kanzlerkandidatur angeht, so hat Steinmeier zumindest bei der Bevölkerung die besten Karten. Nach einer Emnid-Umfrage favorisieren ihn 22 Prozent der Deutschen, um gegen Merkel zu gewinnen. 20 Prozent setzen auf Beck.

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