Westeifel Werke: Freie Wirtschaft und pure Lebensfreude

Gerolstein/Weinsheim · Die Westeifel Werke und die Europäische-Werkstätten-Cooperation (EuWeCo) sind gesetzlich anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen, die sich den Bedingungen der Wirtschaftswelt stellen. Doch die sechs Standorte in der Eifel sind für ihre Mitarbeiter viel mehr, als reine Arbeitsstätte: die Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft, in deren Mitte sie gehören.

Gerolstein/Weinsheim. Kurt Müller montiert Dichtungen auf Ölablassschrauben. Ein Auftrag der Automobilindustrie, mit dem außer dem 28jährigen Gerolsteiner noch rund zwanzig weitere Mitarbeiter beschäftigt sind. Jeder nach seinen Möglichkeiten, denn manchmal wollen die Finger nicht so, wie sie sollen. Alle hier haben ein Handicap, leben mit einer geistigen, oder einer Mehrfachbehinderung, aber die Arbeit macht Spaß und die gute Laune in der Werkstatt ist ansteckend. In dieser Montageabteilung herrscht definitiv Betriebsklima-Erwärmung, dennoch wird die Aufgabe gewissenhaft und konzentriert erledigt - vielleicht etwas langsamer, dafür aber mit Freude. Die Lohnaufträge, unter anderem der Automobil-, Elektro- und Elektronikindustrie unterliegen denselben Qualitätsanforderungen, die auch andere Erwerbsbetriebe mit nicht behinderten Mitarbeitern garantieren müssen. Auch die Lieferzeiten sind strikt einzuhalten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Ralf Maximini überprüft in einer Ecke der Werkstatt die Dichtigkeit der Ölablassschrauben, bevor sie verpackt werden. Die Maschine, an der er arbeitet, ist im Hauptsitz der Westeifel Werke im Gerolsteiner Gewerbegebiet eigens für Behinderte entworfen und gebaut worden. Dafür sind Hermann Heinz und sein Team in der Abteilung Maschinen- und Vorrichtungsbau zuständig. „Wir schauen uns die Aufträge der Industrie genau an und überlegen uns, wie wir sie umsetzen können“, sagt der gelernte Maschinenbauer. „Die Arbeitsvorgänge werden auf möglichst viele Schultern verteilt. Dabei klären wir mit den Gruppenleitern, welche Beeinträchtigungen, aber auch Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter zu berücksichtigen sind.“

Im Augenblick entsteht in der Halle eine neue Maschine zum Bedrucken von Luftballons. Neben der Herstellung von Freiraummobilliar, wie Bänken, Tischen, Liegen und vielen Sonderkonstruktionen für Städte, öffentliche Park-Anlagen und private Gärten, ist das ein weiteres finanzielles Standbein der Westeifel Werke, die zu Europas größten Ballondruckereien zählen. Jährlich werden rund 25 Millionen Luftballons im Standort Hermesdorf verarbeitet – der Vertrieb erfolgt europaweit an Agenturen, die Industrie und den Handel. „Die Eigenprodukte sind eine Besonderheit der Westeifel Werke und der EuWeCo“, sagt Ferdinand Niesen, Geschäftsführer der Unternehmen. „Wir sind eine gemeinnützige Gesellschaft, doch wir müssen wirtschaftlich effektiv sein. Davon profitieren letztendlich auch unsere Mitarbeiter.“ Die Träger der Westeifel Werke sind die Kreisvereinigungen Bitburg, Daun und Prüm der Lebenshilfe, zur EuWeCo gesellt sich als weiterer Träger die Christliche Krankenkasse Belgien (CCK) hinzu.

Zu den Aufgaben einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) gehört es, eine angemessene berufliche Bildung und Beschäftigung zu bieten, aber auch, Leistungs- und Erwerbsfähigkeit „zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wieder zu gewinnen“, wie es im Sozialgesetzbuch heißt.

Deshalb sind die Westeifel Werke nicht nur Arbeitsstätte, sondern auch ein Ort, an dem Therapien aller Art, medizinische, psychologische und sozialpädagogische Dienste angeboten werden. „In unseren vier Standorten arbeitet eine bunte Mischung aus vielen Berufen“, erklärt Ferdinand Niesen. „Neben den Gruppenleitern, die zumeist Techniker und Handwerksmeister sind, stehen unsere behinderten Mitarbeiter unter der Obhut von Sozialarbeitern, Heilerziehungspflegern, Krankenschwestern und Altenpflegern, Sport- Physio- und Kunsttherapeuten.“ Die Arbeitszeit der Menschen mit Behinderungen betrage im Vergleich zu den Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwa drei Stunden je Tag, sagt Niesen, hinzu kommen dann die individuell abgestimmten Therapien. In der Werkstatt befinden sich speziell eingerichtete Ruheräume, eine Turnhalle, ein Fitness-Raum zur Sport-Therapie, Krankengymnastik und eine Kantine. „Eine weitere wichtige Aufgabe ist das Integrationsmanagement“, sagt Niesen. „Behinderte Mitarbeiter sollen, soweit es ihnen möglich ist, an den allgemeinen Arbeitsmarkt wechseln.“ Das gelinge nur manchmal, dieser Weg stehe leider nicht allen offen: „Menschen mit schweren Behinderungen sind im jetzigen gesellschaftlichen Umfeld bei einem absolut leistungsorientierten Arbeitsmarkt nicht vermittelbar. Für sie wurden in der WfbM adäquate und spezialisierte Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben geschaffen.

Im Weinsheimer Standort der gemeinnützigen Westeifel Werke und der EuWeCo, wird am Sonntag, dem 8. September mit einem Tag der offenen Tür der Neubau des Gebäudes für eine Förder- und Entlastungsgruppe gefeiert. Zu dem bunten Programm für Jung und Alt mit drei Bands auf einer Open Air Bühne, Tanz, Chorgesängen und Zauberern in der Festhalle der Werke, Infoständen und einem Basar, laden die Westeifelwerke und die EuWeCo gemeinsam ein. Auch der Trierische Volksfreund ist mit von der Partie: Zum Auftakt der neuen Aktion „Blauer Teppich“ begleitet der TV seine Leser in die Hallen der Westeifel Werke und der EuWeCo. Informationen zu Produktionsprozessen und Dienstleistungen, sowie ein Blick hinter die Kulissen der größten Wirtschaftsunternehmen der Region gehören genauso dazu, wie ein exklusives Gewinnspiel für die Leser der Tageszeitung und der Online-Ausgabe.

EXTRA:

Die gemeinnützige Westeifel Werke GmbH der Lebenshilfen Bitburg, Daun und Prüm und die EuWeCo betreiben anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen. An sechs verschiedenen Standorten im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Vulkaneifelkreis erbringen 674 geistig und psychisch beeinträchtigte Mitarbeiter und rund 200 nicht behinderte Beschäftigte eine wirtschaftliche Wertschöpfung mit Umsatzerlösen bis zu neun Millionen Euro im Jahr. Freizeit- und Bildungsangebote, Lebenshilfe-Wohngemeinschaften in Bitburg, Prüm und Gerolstein, ambulante Betreuung und das barrierefreie Freizeit- und Tagungshotel „euvea“ in Neuerburg gehören zur gemeinnützigen Gesellschaft – ebenso die vier Standorte der Werke in Weinsheim, Gerolstein, Hermesdorf und Daun.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort