Großes Aufräumen nach dem Orkan

TRIER. (red) Heftig, aber nicht ganz so schlimm wie befürchtet: Der Orkan "Kyrill" fegte am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag über die Region. Besonders betroffen waren Hunsrück und Hochwald. In Irmenach (Kreis Bernkastel-Wittlich) wurde eine Frau schwer verletzt, nachdem eine Tanne auf ihr Auto gestürzt war.

Die Lagezentren bei den Feuerwehren waren auf das Schlimmste gefasst, doch das ganz große Chaos blieb aus. Trotzdem waren Helfer pausenlos im Einsatz. Schlimm war es im Hunsrück und im Hochwald. Die B 50 zwischen Longkamp und Hunsrückhöhenstraße wurde gesperrt, die Bäume dort knickten wie Streichhölzer um, konnten wegen Gefahr für die Helfer aber nicht weggeräumt werden. In Hermeskeil fiel für Stunden der Strom aus, Bäume waren in eine Hochspannungsleitung gefallen. Auch in der Eifel und an der Mosel gab es Blackouts. In einigen Schulen in der Region wurden Schüler vorzeitig nach Hause geschickt, Geschäfte in Trier schlossen bereits gegen 19 statt um 22 Uhr. In Irmenach wurde eine Frau in ihrem Auto eingeklemmt und schwer verletzt, eine 15 Meter hohe Tanne war auf sie gestürzt. Nachdem der Sturm Brückengeländer und Schalungstafeln von der im Bau befindlichen Liesertalbrücke weggefegt hatte, wurde die A 1 zwischen Rengen und Darscheid (Vulkaneifel) gesperrt. Die Bahn stellte fast den kompletten Fernverkehr in Deutschland ein. In der Region fuhren die Züge zunächst ohne Störung. Auf dem Hahn und in Luxemburg fielen Flüge aus, in Frankfuhrt wurden die Starts reduziert. Bis zum Abend gab es insgesamt fünf Tote durch den Orkan. In Bayern wurde ein 18 Monate altes Kind von einer herausgerissenen Terrassentür erschlagen.

Am Freitagvormittag liefen die Aufräumarbeiten in der Region auf Hochtouren. Nach einer arbeitsreichen Nacht gehen die Reparaturen am Stromnetz weiter. "Die übergeordnete Stromversorgung stand wie eine Eins. Durch Windbruch kam es jedoch an vielen Stellen zu Stromausfällen", meldet RWE-Pressesprecher Rolf Lorig auf TV-Anfrage. Eine Übersicht der betroffenen Orte gibt es nicht. Vielfach wurde die Versorgung durch Provisorien kurzfristig wieder hergestellt. Beim Wechsel von Provisorien auf die normale Versorgung muss der Strom am heutigen Freitag jeweils kurz abgeschaltet werden. Lorig: "Unter Hochdruck laufen Reparaturarbeiten in Waldgebieten, wo ein Einsatz unserer Mitarbeiter während der Nacht teilweise lebensgefährlich gewesen wäre." Am längsten war der Strom in Landscheid-Altenhof weg. Dort ging am Abend um 21.30 Uhr das Licht aus und bis Freitagmorgen 10.30 Uhr war die Stromversorgung immer noch lahm gelegt.. Die Ursachen für den Stromausfall in Altenhof waren laut Lorig umgestürzte Bäume. Noch am Freitagmorgen wurde Altenhof an ein Notstromaggregat angeschlossen. "30 Leute vom RWE waren während der ganzen Nacht im Kreis Bernkastel-Wittlich im Einsatz und haben überall dort, wo ihnen keine Gefahr durch umstürzende Bäume drohte, die Leitungen repariert", so Lorig weiter. Kleine Schäden wie Äste in der Leitung habe man schnell beheben können, Bäume wegzuräumen habe länger gedauert. Wegen weiterer Reparaturen müsse im Laufe des Freitags mit kurzzeitigen Unterbrechungen der Stromversorgung gerechnet werden.

Wegen des Sturmtiefs wurde am Donnerstag auch der Zugverkehr am Wittlicher Bahnhof eingestellt. Die Fahrgäste bekamen von der Bahn Taxi-Gutscheine. Aufgeregt hat sich darüber nach Angaben des Bahnhofsgaststätten-Wirts keiner. Die Fahrgäste hätten Verständnis gehabt. Auch heute kommt es am Wittlicher Bahnhof noch zu Unregelmäßigkeiten. Zwar fahren die Züge teils wieder - aber nicht alle und die meisten mit erheblichen Verspätungen. Grund sind Oberleitungsschäden, die erst repariert werden müssen. Keine einfache Situation für die Fahrgäste: Die Service-Hotlines der Bahn sind hoffnungslos überlastet, der Wittlicher Bahnhof selbst ist telefonisch nicht zu erreichen. Die Bahn rät Reisenden, ihre Fahrten wenn möglich zu verschieben, sich in jedem Fall aber vorher zu erkundigen, ob der gewünschte Zug wieder fährt.

Die Region rund um Morbach war von den Sturmschäden schwer betroffen. Insbesondere auf der B269 Richtung Birkenfeld war bis mittags kein Durchkommen. Mehr als einen Kilometer Straße mussten Mitarbeiter der Straßenmeisterei Birkenfeld und Thalfang sowie vom Forstamt Dhronecken freischneiden. Auch die L164 entlang des Erbeskopfs war nach Angaben der Straßenmeisterei erst vormittags wieder für den Verkehr freigegeben. In der Zwischenzeit sind die Straßen weitgehend wieder passierbar. Im Bereich der Polizeiinspektion Wittlich sind am heutigen Freitag vormittag noch folgende Strecken wegen der Sturmschäden gesperrt: Die K 58 zwischen Platten und Noviand, die K 55 in Höhe Siebenborn, die K 62 zwischen Ürzig und Traben-Trarbach und die Panoramastrecke (K52) im Bereich Klüsserath.

Im Vergleich zu ihren Kollegen hatten die Freiwilligen bei der Wittlicher Feuerwehr eine relativ entspannte Zeit während des Sturms. Elf Einsätze davon acht im Stadtgebiet hatten die Wittlicher laut Wehrleiter Dietmar Willmroth zu bewältigen. Er sagt: "Es war zwar eine lange Nacht bis 6.20 Uhr, aber sie verlief im Wesentlichen glimpflich. Es gab keine Verletzten. Wir hatten uns überwiegend um umgestürzte Bäume zu kümmern.3 Gegen 22.30 Uhr am Donnerstag mussten die Wehrleute dabei auf der Strecke Richtung Bergweiler zu einem Unfall, bei dem ein Baum auf einen PKW gefallen war. Niemand wurde verletzt. Die Straße war während des Einsatzes nur kurz gesperrt. Außerdem sei besipielsweise ein Rolladen gesichert worden, der weg zu fliegen drohte und eine Leuchtreklame in Wengerohr, die azustürzen drohte.

Wegen Hochwassers sind die ersten Straßen an der Mosel gesperrt. Es sind die K 65 zwischen Reil und Kövenig, die K 134 zwischen Lieser und Kesten und die B 53 vom Zeltinger Kreisel zur Kinheimer Brücke. Dies teilt der Kolonnenführer der Straßenmeisterei Wittlich, Jürgen Schleidweiler mit. Weiterhin seien wegen des Sturm alle seit gestern gesperrten Straßen weiterhin unpassierbar. Derzeit laufen die Räumungsarbeiten.

Wegen Baumfällarbeiten und Arbeiten an der Böschung wird die B 50 zwischen Longkamp und dem Tunnel in Bernkastel-Kues vom 22. bis 25. Januar (kommenden Montag bis Donnerstag) zwischen 8 und 16 Uhr komplett gesperrt. Die Umleitung erfolgt über Monzelfeld und Mülheim.

Die Polizeiinspektion Trier verzeichnet bisher einen glimpflichen Verlauf des Sturmtiefs "Kyrill". Gleich zweimal blockierten umgestürzte Bäume die B 268/Pellinger Straße. Gegen 8.48 am Donnerstag stürzte der erste Baum in Höhe der Schießstände um. Die Straße musste während der Aufräumarbeiten 30 Minuten voll gesperrt werden. Um 11.55 Uhr ragte ein weiterer umgestürzter Baum in Höhe der Abfahrt nach Niedermennig in die Fahrbahn. Die Polizei konnte den Verkehr während der Aufräumarbeiten an der Gefahrenstelle vorbei leiten. Auch im Aveler Tal in Trier stürzte ein Baum auf die Fahrbahn. Gegen 17 Uhr blockierte das Gehölz die Straße und musste von der Feuerwehr beseitigt werden. Gegen 19.50 Uhr standen die nächsten Baumbeseitigungsarbeiten an. Diesmal rückten Polizei und Feuerwehr in die Kohlenstraße aus. Gegen 11.49 Uhr drohten mehrere Dächer einer Garagenanlage in der Trierer Georg-Schäffer-Straße abzureißen und auf die Straße zu stürzen. Der Bereich wurde bis zur Beseitigung der Gefahr abgesperrt. Vom Dach eines Anwesens in der Olewiger Straße drohten gegen 15 Uhr Dachziegel herab zu stürzen. Die Feuerwehr konnte die Gefahr schnell beseitigen. Ebenso konnten die Wehrleute das Werbeplakat eines Einkaufszentrums in der Trierer Kohlenstraße wieder befestigen, dass gegen 18.45 Uhr auf die Straße zu stürzen drohte. Personen kamen bei diesen Einsätzen nicht zu Schaden. Offenbar wurden die ständigen Sturmwarnungen beachtet.

Auch die Polizei Bitburg zog eine vorläufige Bilanz: Insgesamt waren am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag 51 Einsätze wegen 41 umgestürzten Bäumen, losgerissener Verkehrsschilder, herumfliegenden Plastikteilen und Blechen, Stromausfällen und mit dem Sturm zusammenhängenden Verkehrsunfällen notwendig. Von Stromausfall betroffen waren Burbach, Weidingen/Altscheid und Bettingen. Dreimal fuhren Fahrzeuge in umgestürzte Bäume. Um 21.34 Uhr musste an der L 9 zwischen Birkendell und Philippsweiler eine Vollsperrung eingerichtet werden. Die K 6 zwischen Geichlingen und Berscheid musste ab 22.12 Uhr voll gesperrt werden. Die Feuerwehr Sinspelt wollte dort mehrere umgestürzte Bäume beseitigen. Sie musste die Arbeiten jedoch abbrechen weil der Einsatz durch weitere fallende Bäume zu gefährlich war. Die B 51 musste gegen 23 Uhr für eine halbe Stunde gesperrt werden, um einen umgestürzten Baum von der Fahrbahn zu räumen. Die Straßenmeistereien hatten vorbeugend jeweils drei Teams in Bereitschaft versetzt.

Im Moseltal ist nicht viel von Schäden zu bemerken. Alles geht wieder seinen geordneten Gang. Im Gymnasium Bernkastel-Kues (mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler) fehlt kaum jemand. Sicheres Indiz dafür, dass die Busse aus dem Hunsrück am frühen Morgen die Orte anfahren konnten und auch den Weg nach Bernkastel-Kues fanden. Zwölf Strecken hatten Mitarbeiter der Straßenmeisterei Bernkastel im Laufe des Donnerstags gesperrt. Bis auf die beiden erwähnten sind am folgenden Tag alle wieder befahrbar. Auch die Straße auf dem Kueser Plateau ist wieder frei. Dort musste der Verkehr seit Donnerstagmittag über das Gelände einer der fünf Kurkliniken umgeleitet werden. Für eine Bilanz ist es noch zu früh. "Es war aber nicht so schlimm wie beim Orkan Wiebke im Jahr 1990. Die Leute waren vorbereitet", sagt Walter Klink, Leiter der Straßenmeisterei Bernkastel. Auch Franz-Josef Sprute, Leiter des Forstamtes Traben-Trarbach, geht davon aus, dass diese Dimension längst nicht erreicht wird. Nach einer ersten groben Schätzung seien aber alleine in den Wäldern in der Verbandsgemeinde Bernkastel-Kues 15 000 bis 20 000 Festmeter gefallen - zumeist Nadelhölzer. Sprute: "Das sind 60 bis 70 Prozent des jährlichen Einschlages. Das können wir aber auffangen." Wie nahe Glück und Unglück bei solch einem Ereignis beieinander liegen, zeigt ein Vorfall aus Bernkastel-Kues. In der Kardinalstraße im Stadtteil Kues stürzte am Donnerstag kurz vor 16 Uhr ein Kamin vom Dach eines Hauses. Wenige Minuten zuvor waren auf der Straße noch viele Passanten unterwegs zur gegenüber liegenden St. Briktius-Kirche, in der ein Gottesdienst für den verstorbenen Trierer Altbischof Hermann Josef Spital gefeiert wurde. "Es fielen schwere Schamottsteine auf die Straße. Nicht auszudenken, wenn Leute getroffen worden wären", sagt Helmut Kaspar, Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues.

 Aufräumarbeiten an der B 50 zwischen Longkamp und der Hunsrückhöhenstraße. Foto: Clemens Beckmann

Aufräumarbeiten an der B 50 zwischen Longkamp und der Hunsrückhöhenstraße. Foto: Clemens Beckmann

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