Musik aus dem Herzen der Welt: Spanisch-jüdische Gesänge in der Synagoge Wawern

Wawern · Christen und Juden auf der Iberischen Halbinsel hatten im Mittelalter eine gute Zeit. Sie konnten auch unter muslimischer Herrschaft ihren Glauben leben. Eine musikalische Matinee in der Synagoge Wawern erinnerte an diese Zeit - und an ihr trauriges Ende.

Wawern. Es muss eine großartige Epoche gewesen sein - damals, im Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel, dem heutigen Spanien und Portugal. Es war eine Zeit, in der Christen und Juden auch unter muslimischer Herrschaft ihre Religion weiter ausüben konnten. Es war eine Kultur der Toleranz, gerade in der Musik.

In der Synagoge Wawern gaben Sängerin Isabelle Marx und Gré gory Dargent mit Gitarre, Handtrommel und dem Lauten-Instrument Oud einen Einblick in den musikalischen Reichtum dieser Epoche. Es sind Stücke mit einem weiten Ausdrucks-Radius, teils deutlich an den alten Kirchentonarten orientiert, teils schon dem modernen Dur-Moll verpflichtet. Da verband sich Altes mit Neuerem. Aber auch in Stücken mit jüngerer Tradition blieb die teils heitere, teils besinnliche Grundstimmung dieser spanisch-jüdischen Musik authentisch erhalten. Es sind zärtliche Liebesgedichte, mal heitere, mal melancholische Erzählungen, beschwingte Tanzlieder, gesungen in der Sprache der spanischen Juden, dem Spanisch-Latino, ein Misch-Dialekt, ähnlich dem Jiddischen in Osteuropa. Viele müssen die Kultur dieser Zeit als das "Herz der Welt" empfunden haben.

Isabelle Marx und Grégory Dargent sind für diese Musik ideale Interpreten. Die Sängerin beherrscht vom folkloristisch-kehligen Gesang bis zu feinstem Pianissimo die ganze, große Klang- und Ausdruckspalette für diese Lieder. Sie begleitet ihren Gesang mit ausdrucksvollen Gesten. Und all das selbstverständlich ohne Mikro und Verstärker. Bei ihrem Gesang ist Intimität zu Hause, aber auch mitreißende Ausgelassenheit.
Und wenn Grégory Dargent begleitet und immer wieder Improvisationen einlegt, dann ist das musikalische Bild dieser Zeit vollkommen. Organisatorin Pascale Eberhard moderierte die Veranstaltung vor gut 50 teils weitgereisten Besuchern und übersetzte die französischen Erläuterungen von Isabelle Marx ins Deutsche. Im starken Beifall am Ende klang herzliche Zuneigung mit - zu Interpreten, Texten, Musik.Inquisition zerstört Kultur


Sehr lange währte die glückliche Epoche in Spanien nicht. 1492 mussten die spanischen (sephardischen) Juden ihre Heimat verlassen, einige Jahre später die Juden in Portugal. Und Pascale Eberhard erinnerte daran: Die sephardischen Juden wurden nicht von fanatischen Islamisten vertrieben. Es war die Heilige Inquisition des Christentums, die diese Kultur zerstörte. mö

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