Aufgeschlagen - Neue Bücher

Französische Großstadt und deutsche Provinz: In seinem Krimi "Ein fatales Alibi" spielt Autor Ansgar Sittmann mit diesen beiden Gegensätzen. Immer wieder switcht er zwischen beiden Schauplätzen hin und her.

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Foto: (g_kultur

Dabei lässt er die Straßen und billige Etablissements von Paris ebenso lebendig werden wie die geschäftige Trierer Simeonstraße oder das verträumte Schweich im Jahr 1978. Dort lebt Jürgen, der, um seine neue Vinothek auf die Beine zu stellen, über Leichen geht. In einer Pariser Spelunke verliert er erst sein Pokerspiel, dann seine Nerven, erschlägt seinen Gegner und holt sich das Geld zurück. In knappen, reservierten Worten skizziert Sittmann den kaltblütigen Mord. Während Jürgen seine Spuren verwischt, inklusive der Zweifel seiner Frau, wird in Paris Quentin als der potenzielle Mörder erkannt. Der hat einiges zu verbergen, nämlich die Liaison mit Marie, der Frau seines besten Freundes Pascal, lässt sich inhaftieren und vor Gericht stellen. Polizei und Justiz geben sich keine Mühe: Der Staatsanwalt will ein schnelles Ergebnis, Kommissar Beaufort in die ruhigere Provinz versetzt werden. Immer wenn man glaubt, die Geschichte wäre erzählt, gibt Sittmann ihr eine neue Richtung. So sagt Beauforts kriminalistischer Spürsinn ihm, dass der Verdächtige kein Mörder ist. Er schickt dem deutschen Zocker den alkoholsüchtigen Detektiv Chouchen auf die Fersen. Sittmann hat aus einer Idee - vier Strophen des Songs "Long black Veil", die genau die Situation Quentins umfassen - einen spannenden und gehaltvollen Krimi geschrieben. Angereichert mit sehr viel Ortskenntnis - dies- und jenseits der Grenze. Sittmann, Jahrgang 1965, in Schweich und Frankreich aufgewachsen, zeichnet eine real wirkende Lebenswelt der End-70er. Ganz geschickt, mit etwas Nostalgie, wie etwa Chouchens Gordini, Francs und D-Mark. In "Ein fatales Alibi" bringt Sittmann seine drei großen Vorlieben zusammen: die für das französische Savoir-vivre, die für Wein und die zu seiner deutschen Heimat. Der Krimi lebt auch von seinen bizarren und den spießbürgerlichen Figuren, die er so plastisch zeichnet, dass sie vor den Augen des Lesers zum Leben erwachen. Und dieser widersprüchliche, aber gerissene Beaufort wäre ein perfekter Serientyp, eine erfrischende Ergänzung zum Privatdetektiv Castor L. Dennings, Protagonist von vier Sittmann-Krimis. Auch wenn der Leser schon im ersten Kapitel weiß, wer wie von wem ermordet wird - Sittmann schafft es, über 117 Seiten den Spannungsbogen aufzubauen, zu halten und dabei anregend zu unterhalten. Dazu ist der Krimi mit 2,99 Euro unschlagbar günstig. Dafür aber nur virtuell erhältlich. Wer gerne im Sessel oder im Bett schmökert, würde bestimmt gerne etwas Papier in den Händen halten. Mechthild Schneiders Ansgar Sittmann, "Ein fatales Alibi", E-Book, Midnight - Ullstein Buchverlage, 2,99 Euro.

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