Einladung zur Besinnung

Trier · Ein Stück Osterfreude: Spee-Chor singt zu Karfreitag Matthäus-Passion in der Trierer Jesuitenkirche.

Trier Eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn waren die Bänke in der Trierer Jesuitenkirche schon voll besetzt. Und trotz eilig herbeigeschaffter Stühle und Hocker blieben für einige nur noch Stehplätze übrig bei dieser Veranstaltung "zur Sterbestunde Christi", wie das Programmheft vorsichtig und doch deutlich formuliert.
Auch in der säkularisierten Moderne sehnen sich die Menschen nach Spiritualität, nach geistlichem Denken, Fühlen und ein Stück weit auch nach geistlichem Leben. Da war die Matthäus-Passion von Heinrich Schütz genau am rechten Platz. Es ist eine Musik ohne Ornament - bei Evangelist, Christus und den Randfiguren der Passions-Schilderung ganz schlicht im Lektionston gehalten. Und nur in die Volkschöre bringt der Komponist einige Dramatik ein. Aber gerade mit solcher Kargheit eröffnet Schütz Klang-Räume für Nachdenken und Nachempfinden. Die Musik will nicht überreden oder gar überwältigen, sondern bereitmachen für das geistliche Wort.
Mittlerweile ist diese Komposition weithin ein Fall für kleine Spezial-Ensembles geworden. Aber die Besetzung mit dem recht großen Spee-Chor hat ihr eigenes Recht und steht in einer eigenen Tradition.
In ihr spiegelt sich die Schütz-Renaissance der 1920er Jahre, die geprägt war durch ein a-cappella-Chorideal für Laiensänger. Die eingeschobenen vier Passionsmotetten von Francis Poulenc sind dabei keine Fremdkörper, sondern Varianten dieser Tradition. Chorleiter Jan Wilke, seine Sängerinnen und seine Sänger greifen die Impulse der damaligen Schütz-Bewegung auf und führen sie überzeugend weiter. Evangelist Manuel Knoll, der Christus Nikolaus Rentrop und die Soliloquenten aus dem Chor bewähren sich glänzend im ungestützten Solo-Gesang. Mehr noch: Ihnen gelingt beispielhaft diese Verbindung aus Schlichtheit und Deutlichkeit, von der Schützens Vertonung lebt. Sicherlich, beim Spee-Chor hätte es nicht geschadet, weiter an der Intonation zu feilen. Aber in den äußerst heiklen Chor-Einwürfen strahlen die Sängerinnen und Sänger fast immer eine eindrucksvolle Präsenz aus. Und der Schlusschor "Ehre sei dir, Christe", er klingt wie eine Einladung: Besinne dich! Nimm die Botschaft dieser Passion mit in den Alltag! - Die Besucher applaudierten erst nach einer Besinnungspause, dann aber umso heftiger. Vielleicht war schon ein Stück Osterfreude dabei.

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