Meister-Schweiß zum Fest der Liebe

TRIER. Alle Jahre wieder: Mit altbewährten Hits und neuen Elementen nahm "Meister" Guildo Horn seine Fans mit ins Weihnachtsfest. Das vom TV präsentierte Konzert in der ausverkauften Europahalle gleicht einem seit Jahren eingeübten Ritual.

Mr. Winterbottom fehlt am Tisch, der Butler muss dessen Becher und die der real ebenfalls nicht mehr existierenden Gäste beim "90. Geburtstag" der alten Lady mehrfach austrinken - und stolpert ab dem zweiten Gang über den Tigerkopf. Die Bayern wählen ihren Ministerpräsidenten - und die CSU gewinnt. Die Formel 1 dreht ihre Runden - und der Sieger heißt Michael Schumacher. Es gibt Dinge im Leben, deren Ausgang schon im Vorfeld völlig klar ist - und denen man dennoch immer wieder entgegen fiebert. In der immer komplizierter werdenden Welt erbaut sich der Mensch an Ritualen, ist froh, dass es noch ein paar Konstanten gibt, an denen er sich entlang hangeln kann. Dazu zählt auch, sich am 23. Dezember gegen 23 Uhr beim Nachbarn einzuhaken, die Wunderkerzen anzuzünden und "Weihnachten, Weihnachten, bin ich zu Hause" zu schmettern. Dazu zählt, des "Meisters" Mutter Lotti, die sich wie eh und je im Regieraum der Trierer Europahalle aufhält, sowie deren Nussecken zu huldigen. "Weihnachten mit Guildo Horn und den orthopädischen Strümpfen" heißt auch, dass die über 2000 Fans minutenlang den größten Coup vom Namensvetter des Bundespräsidenten a cappella intonieren und an den Grand Prix 1998 mit "Guildo fährt nach Birmingham" zur Melodie des ersten Hits des Musiktherapeuten, "Amarillo", erinnern. Schweißgebadet ab dem zweiten Stück lässt es sich der Trierer Jung bei seinem Heimspiel richtig gut gehen, gibt alles, weiß, dass das Wellenbad aus Berühmtheit und der Nominierung für die "100 nervigsten Deutschen" zu Hause nicht gilt. Die Fans sind mit dem "Meister" gealtert, das Publikum kennt alle Zutaten der teils absichtlich übertrieben schwülstigen, teils rockigen Zeremonie, die sich seit elf Jahren im stets gleichen Rahmen bewegt. Und der "Meister" belohnt die Massen. In Mieder, Netzstrümpfen und zu eng geratenem Slip beginnt er sein Konzert standesgemäß mit Weihnachtlichem, macht den Schwenk über Schlager und Rock, fordert sein Publikum zu gemeinsamen Turnübungen auf. Alle machen mit, imitieren Tannenbäume, als sei Herr Köhler ein Motivationstrainer im Stile eines Herrn Höller. Und außer vielleicht Cher und Madonna gibt es keinen Künstler, der so oft während eines Auftritts seine Outfits wechselt und dabei ähnlich viel Fleisch zeigt, das bei Guildo im Gegensatz zu Vorgenannten sogar noch im Originalzustand erhalten ist. Ob Seemannsgarn, 70-er-Jahre-Cord-Anzug, Rolli oder Nikolausmantel mit Hermelinbesatz, Horn präsentiert sich als Verwandlungskünstler - und lässt die Hüllen schnell wieder fallen. Auch wenn das Weihnachtskonzert vornehmlich von seinem ritualisierten Charakter lebt, versteht es der "Meister" zwischen "Guildo hat euch lieb" und "Wunder gibt es immer wieder" immer wieder, etwas Neues zu integrieren. War es vor zwei Jahren der Auftritt von Tenor Thomas Kießling, gab es anno 2004 eine gesangliche Konstellation, die in dieser Form wohl einmalig bleiben wird: Horn dirigiert, die Trierer Handball-"Miezen" schmettern ihre Hymne "Sieben Leben" und als Stargast erscheint das Trierer Original Helmut Leyendecker, als Petrus verkleidet, auf der Bühne. Alle zusammen bringen dem Trierer Stadtpatron ein gospel-ähnliches Ständchen dar. Nach zweieinhalb Stunden Horn pur, einigen Litern Schweiß, die vom freien Oberkörper des Meisters getropft sind, und einem etwas zu langatmig geratenen Finale, schließt sich der Vorhang für 365 Tage. "Ein frohes Fest und bis nächstes Jahr." Ein Gruß, dem die Fans auch 2005 nachkommen werden. Mit Wunderkerzen und der Gewissheit: Da weiß man, was man hat.

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