Musik zwischen Zeit und Ewigkeit

Trier · Sein Programm ist so interessant wie schlüssig: Es spannt den Bogen von der Gregorianischen Messe bis zur Romantik des späten Mozart und zur mystischen Stille eines Arvo Pärt. Mit dieser Leistung hat sich Thomas Kiefer eindrucksvoll als neuer Trierer Domkapellmeister vorgestellt.

Trier. Unser Leben sei ein einziger Kampf zwischen der Lust am Augenblick und der Sehnsucht nach Ewigkeit, hat Arvo Pärt einmal gesagt. Eine Erkenntnis, die spätestens seit dem Barock, über Goethes Faust bis hin in unsere Tage ein zentrales Thema aller geistigen und künstlerischen Auseinandersetzung geblieben ist. Auch Thomas Kiefers Antrittskonzert im Trierer Dom kreiste um die alte Frage nach dem Zusammenhang von menschlicher Jetztzeit und göttlicher, Zeit überwindender Ewigkeit. Eigentlich hatte der neue Domkapellmeister schon seine Antwort gegeben, als er die Musikstücke des Programms in den Gregorianischen Choral, die "Missa pro defunctis", eingebettet hatte.
Subtile Streicher



Himmelwärts stiegen die Stimmen der Sänger und erfüllten das Gewölbe. Als moderner Mystiker, als Meister der beredten Stille, darf Arvo Pärt gelten. Dem Orchester- und Orgelwerk des estnischen Komponisten, galt der erste Musikblock des Konzertes. Arvo Pärt ist allerdings auch ein Minimalist, der in der Binnenstruktur schlichtester Kompositionen Spannung zu erzeugen und wunderbare Klangräume zu schaffen vermag, wie sein Werk "Fratres" einmal mehr hörbar machte.
Mit warmem satten Klang trösteten die Streicher des Philharmonischen Orchesters der Stadt Trier gleichsam Peter Entchevs virtuose Geige und ihr Ringen. Darin klang das Schlagwerk wie der Puls der Zeit. Vielfarbig und feinsinnig folgte Pärts Komposition "Annum per annum" (an der Orgel Josef Still). Klang gewordene Spiritualität war das vom Mädchenchor am Trierer Dom engelgleich gesungene "Virita criosa" des zeitgenössischen schwedischen Komponisten Thomas Jennefelt. Subtil und fein erklangen die Streicher anschließend in Pärts "Cantus in Memory of Benjamin Britten".
Nicht ganz so überzeugend geriet Wolfgang Amadeus Mozarts berühmtes "Requiem", mit dem Domchor, den Trierer Domsingknaben und dem Mädchenchor des Doms. Über Mozarts unvollendete Totenmesse, die längst selbst Mythos ist und ihre angemessene Aufführung, lässt sich trefflich streiten.
Thomas Kiefer ließ das Werk in der heute als Standard betrachteten, von Xaver Süßmayr vervollständigten Version singen und spielen und setzte auf Tempo, Klanggewalt und Dramatik. Besonders schön: die transparenten hellen Soprane im vierstimmigen Chor. Allerdings ging die vehement vorgetragene gesangliche Glaubenssicherheit ebenso auf Kosten der Artikulation wie der Dynamik der Komposition und ihre Spannungsverläufe. Als solider Partner bewährte sich das Philharmonische Orchester.
Wenig Profil entwickelten die vier Solisten. Und auch im Ensembleklang blieben Antonia Lutz\' Sopran, Annette Markerts Alt, Eric Stokloßas Tenor und Vinzenz Haabs Bass blass. Trotz Abstriche war das knapp zweistündige Konzert eine gewaltige Leistung, die die 1000 Zuhörer im vollbesetzten Dom mit begeistertem Beifall würdigten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort