Sich Takt für Takt näherkommen

Dass der neue GMD Victor Puhl zum 1. August seine Arbeit aufgenommen hat, war im Stadtbild schwerlich zu übersehen. "Echt Puhl" steht wie ein Gütesiegel auf großen Plakaten, die das Theater ausgehängt hat. Die Erwartungen sind entsprechend hoch.

 Der neue Trierer GMD Victor Puhl vor dem Foyer des Theaters. TV-Foto: Dieter Lintz

Der neue Trierer GMD Victor Puhl vor dem Foyer des Theaters. TV-Foto: Dieter Lintz

Trier. "Echt Puhl" - das ist zunächst einmal eine geradezu preußisch anmutende Arbeits-Einstellung. Buchstäblich bis zum letzten Tag hat er seinen Job als Kapellmeister in Zwickau ausgefüllt. Nebenher ist er nach Trier gependelt, hat sich Vorstellungen angesehen, Konzerte angehört, potenzielle Übungsräume besichtigt, seine künftige Wirkungsstätte kennengelernt. Jetzt steht ihm ein klassischer Kaltstart bevor: Innerhalb von gerade mal sechs Wochen muss er das erste Sinfoniekonzert (28. August), den großen Auftritt beim Theaterfest zur Saisoneröffnung (14. September) und die Premiere von "Hoffmanns Erzählungen" (28. September) stemmen.

Kein Wunder, dass er heilfroh ist, "dass die Fahrerei endlich ein Ende hat". Mit seiner Frau hat er eine Wohnung im umgebauten ehemaligen Herz-Jesu-Krankenhaus gefunden, nur fünf Fuß-Minuten vom Theater entfernt. Puhl, so scheint es, ist einer, der keine Distanz sucht, sondern Nähe.

So hat er sich auch gleich in die Debatte um einen neuen Probenraum geworfen, den er für absolut notwendig hält. Dass es im ersten Anlauf Probleme gegeben hat, räumt er unumwunden ein ("Das ist im Theater ein bisschen verschlafen worden"), aber der neue GMD ist "guter Hoffnung, dass es noch klappt". Nicht zuletzt, weil er einen Orchester-Standort in Trier-West auch "als echte Chance für diesen Stadtteil" begreift.

Mit den Höhen und Tiefen der Kulturpolitik hat Puhl seine ganz persönlichen Erfahrungen. In Potsdam war er einer der jüngsten Orchesterchefs der Republik - bis sein Klangkörper trotz hohen Ansehens im Zuge des "Abbau Ost" abgewickelt wurde. In Zwickau fing er eine Etage tiefer wieder an. Die Berg- und Talbahn hat ihm offensichtlich zu einer gewissen Gelassenheit verholfen.

Trotzdem hat er viel vor. Den Öffnungs-Kurs des Theaters für ein neues Publikum will er fortsetzen, vor allem mit Blick auf die 20 000 Studenten in Trier. Aber dafür müsse man "erst mal herausfinden, was die wollen", und zwar möglichst "nicht auf dem Papier, sondern durch persönliche Kontakte".

Den vielstrapazierten Begriff "Crossover" vermeidet er, aber einiges läuft darauf hinaus. Der Start zum Theaterfest mit sinfonisch aufgepeppter Beatles-Musik ist durchaus programmatisch. In seiner Heimatstadt hat der gebürtige Metzer mit Techno-DJs zusammengearbeitet, auch Filmmusik ist für ihn kein Tabu. Dass er im Opern-Spielplan mit seiner Wunsch-Produktion von Brecht/Weills "Mahagonny" den kräftigsten Akzent setzt, passt in diese Linie.

Aber der neue GMD weiß auch, dass das Trierer Stamm-Publikum nicht unbedingt durch Experimentierfreude glänzt. "Ich versuche halt, zu balancieren", sagt er ehrlich. Der Druck ist groß, nicht zuletzt durch die übermächtige Konkurrenz in Luxemburg.

Victor Puhl will mit dem Glamour und den großen Namen in der Philharmonie nicht konkurrieren. Er setzt auf die Nähe zur Kundschaft und die niedrigen Hemmschwellen. Seine Erfahrung: "Die Menschen brauchen immer mehr Vermittlung". In einem Haus wie Trier sei es einfacher, "Abgrenzungen und unsichtbare Barrieren zu überschreiten". Das mit der Vermittlung meint er durchaus wörtlich. Einen stummen Stabführer, der streng die Schläge exerziert, werden die Trierer am Dirigentenpult nicht erleben. Da ist er seinem Vorgänger gar nicht so unähnlich. Aber ein genialischer Individualist wird den Trierer Philharmonikern wohl nicht ins Haus stehen. Puhl setzt auf Team-Arbeit, lobt den Ensemble-Gedanken und verspricht Berechenbarkeit. Bewegung sei wichtig, lautet seine Devise, "aber immer Schritt für Schritt".

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