Ein ganz besonderer Kreuzweg

Minheim · Rechtzeitig vor Karfreitag ist der Minheimer Kreuzweg wieder gut begehbar. Seit Jahrzehnten halten Bürger den steilen Serpentinenpfad am anderen Moselufer in Schuss. Angelegt wurden Weg und Grotten in den 1930er Jahren aus Protest gegen das Schulkreuz-Verbot der Nationalsozialisten.

 Minheimer Bürger haben den Kreuzweg am Moselufer freigeschnitten und die Wege gesäubert. TV-Foto: Ursula Schmieder

Minheimer Bürger haben den Kreuzweg am Moselufer freigeschnitten und die Wege gesäubert. TV-Foto: Ursula Schmieder

Minheim. Teilweise führt der Pfad fast eben am Steilhang vorbei. Doch zuvor sind etliche Stufen zu erklimmen. In Serpentinen führen sie dicht am Fels vorbei. Dabei fällt der Blick fast unweigerlich auf das am anderen Moselufer liegende Minheim. Ein Panorama, das alle Mühen im Nu verfliegen lässt. Den acht Helfern, die dort am Samstag vor Karfreitag für Ordnung gesorgt haben, fehlte dafür aber die Muße. Nach dem langen Winter gab es viel für sie zu tun. Sie schippten herab gerutschtes Erdreich weg, schnitten Hecken und Gestrüpp zurück und befreiten Wege und Stufen von Moos. Der ehrenamtliche Einsatz vor dem Osterwochenende hat laut Ortsbürgermeister Werner Mertes seit Jahrzehnten Tradition. Eine offizielle Prozession entlang des etwa 500 Meter langen Kreuzwegs gibt es zwar nicht. Das Risiko, dass sich jemand verletzen könnte, wäre zu groß. Dennoch wird der Weg gerade am Karfreitag rege genutzt. Nicht nur Minheimer oder Urlauber gingen dort hinauf, sondern Leute von überall: "Abends sieht man viele Kerzen brennen."
14 Stationen


14 Kreuzwegstationen warten entlang des Weges, der ohne Eile in etwa 20 Minuten zu meistern ist. Die erste Figur taucht unvermittelt hinter einem Felsvorsprung auf, andere stehen in kleinen Grotten und Unterständen, gemauert aus hellen Steinen. Das Ende des Weges markieren eine Kapelle, ein oberhalb stehendes Kreuz und die eine Station mit der figürlich abgebildeten Grablegung Jesu.
Die Entstehung des Weges reicht laut Paul Koehnen (78) bis 1936 zurück. Seine Mutter habe erzählt, dass eines Morgens an dem Steilhang ein weißes Kreuz gestanden habe. Junge Männer aus dem Dorf hatten es aufgestellt, um gegen das Schulkreuz-Verbot der Nationalsozialisten zu protestieren. In den folgenden zwei Jahren legten sie die Wege an und bauten die Kreuzwegstationen. Wenig später begann der Zweite Weltkrieg, von dem einige der jungen Leute nicht mehr nach Hause zurückkehrten, wie Koehnen weiß. Wohl deshalb ist es für ihn selbstverständlich, bei der Pflege des Weges zu helfen. Auch der örtlichen Winzerkapelle liegt der Kreuzweg am Herzen. Der 1957 gegründete Verein spielt seit vielen Jahren jedes Jahr am 1. Mai oben am Kreuz. Die Parzelle ist heute Eigentum der Kirche, die so sicherstellen wollte, dass Kreuz und Kreuzweg langfristig Bestand haben. urs

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