KULTUR

WITTLICH. Die Macht der Bildmotive der modernen Welt filtert und bannt Senne Simon in Serien. Die überraschenden Einblicke ihres künstlerischen Zeitbild-Kosmos zeigt sie ab Sonntag in ihrem Geburtsort Wittlich.

Ihre Disziplin ist die Bildwelt des modernen Alltags, in der Tetris-Steine über den Bildschirm fallen, Kung-Fu Ästhetik den Zuschauer im Wohnzimmer überfällt und Tapetenmuster zur Meditation werden können. Wer die intimen Räume des Georg-Meistermann-Museum durchschreitet, tritt ein in den konsequenten Kunst-Kosmos einer jungen Künstlerin, der den Betrachter entweder auf Senne Simons Umlaufbahnen schießt oder irritiert abstürzen lässt. Halt bieten dem Betrachter höchstens die 24 Porträts ihrer Freunde im hinterem Ausstellungsraum - ein klassisches Thema. Zuvor muss man schon ein wenig kämpfen, genau hinsehen und ruhig ein bisschen rätseln. Mit Witz und Ironie hat man gute Chancen. Voodoo: Der Bann der Bilder

"HAAHHHIIII" - Der angriffslustige Schlachtruf in Comicsprache als Titel für die Kung-Fu Bilder bietet symbolhaft das fürs Ohr, was das Auge wahrnimmt: Blitzlichtartig fest gefrorene Sekundenbilder schwebend kämpfender Frauen etwa; Erscheinungen - nun als Gemälde mit einer neuen Zeitdimension ausgestattet. Eine Art Impressionismus der modernen Art. "Wenn die dämonischen Frauen so ins Licht springen, da weiß man nicht - Was ist mit ihrer Kraft? Das macht es spannend", sagt Senne Simon zur Werkgruppe, zu der sich auch ein kleines Selbstporträt in Form eine Polyester-Figur gesellt: "Die Grasläuferin läuft so schnell, dass sie nicht einsinkt im hohen Gras. Ich habe mir da auch unheimlich viele Kräfte gegeben." Um Kräfte geht es auch in den "REM-PHASE"-Bildern. Hier geht die Magie von den Bildern, die man im Kopf trägt aus, Déjà-vues, die sich wie Erscheinungen aus einer Art Tapetenhintergrund erheben. Die "Voodoo-Tapete" dazu ist aus einem Grundfundus von Computerlinien zusammengesetzt. Genau wie das daraus hervortretende Motiv, etwa eines Soldaten, aus dem Bilderfundus im Kopf. Und was ist mit Voodoo? "Es gibt Menschen, die da Augen drin sehen. Augen, wenn man die gesehen hat, lassen sie einen nicht mehr los", lacht Senne Simon, als Erklärung zum Muster, das hinter den Bildern liegt, die sie nicht mehr losgelassen haben. Bei aller Individualität ihrer Interpretation der Bilder - wie die jeweils thematisch geordneten Ausstellungsräume eindrucksvoll belegen - setzt sie allgemeine Akzente. Etwa im Bild "Live" das die Absurdität des "Reality-TV" am Beispiel einer Schreinemakers-Sendung thematisiert. Wie real ist die angebliche Fernseh-Realität, wenn man die Zeugen zur Unkenntlichkeit verfremdet? Was überhaupt zeigt das transformierte Fernseh-Bild, was ist das für ein typisches Bild der Moderne? Das ursprünglich "echte, authentische" Ehepaar auf dem Bildschirm, mit technischen Mitteln unkenntlich gemacht, wird als Bildmotiv vollends surreal. Auch eine Form von Medienkritik. Zur Welt der Medien gehören naturgemäß der Computer und seine spezielle Ästhetik. 24 Freunde aus der privaten Bilderwelt

Beispiel das "Tetris"-Spiel: Millionen Menschen sitzen am Schirm und lassen bunte Bausteinchen rieseln. Senne Simon hat das Spiel auch gespielt: auf Leinwand und mit ihren Regeln. "Hier geht es nicht darum, zu gewinnen, sondern ein Bild zu konstruieren. Der Farbfraß und die Überstrahlungen, je nachdem welche Farbe neben welcher steht, haben mich interessiert." Als Triptychon, die Form eines Altarbilds zitierend, wird das Computerspiel als Thema nicht nur ironisch "angebetet". Es kann auch als kleine Hommage an den Impressionismus gesehen werden, der in seiner Spätform als Pointillismus ebenfalls die Wirkung der Farbnachbarschaft aufs Auge und die Farbe selbst erforschte. Bleiben noch die 24 Porträts der Freunde, die die Stile der Kunstgeschichte zitierend, Senne Simons private menschliche Bilderwelt verarbeiten: distanziert und persönlich zugleich. Außerdem gesellen sich zur Ausstellung Texte von Ansgar Oberholz, ebenfalls gebürtiger Wittlicher. "Ich finde es interessant, die verschiedenen Disziplinen zusammen zu bringen. Dieses Miteinander habe ich erst in Berlin kennen gelernt. In Düsseldorf bleiben die einzelnen Kunstsparten eher unter sich", sagt Senne Simon und meint abschließend: "Wenn man in eine Ausstellung moderner Kunst geht, muss man schon ein bisschen Willen mitbringen." Sie wünscht sich besonders ein junges Publikum. Also wie wär's mit einem kleinen Selbsterfahrungs-Kurs moderne Kunst in Wittlich? Eröffnung am Sonntag, 29. Februar, 11 Uhr mit einem Gespräch mit Senne Simon und Kulturamtsleiter Justinus Maria Calleen und Musik von Thomas Schöfer, Schlagzeug, Wittlich.

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