Rollstuhlfahren in Morbach: Wie behindertengerecht ist Morbach?

Morbach · Falschparker und Treppenstufen: Wie es ist, ganz Alltägliches in Morbach zu erledigen, wenn man an den Rollstuhl gefesselt ist, hat Bürgermeister Andreas Hackethal jetzt in einem Selbstversuch "erfahren". Der Rathauschef will seine Erkenntnisse in künftige Entscheidungen einfließen lassen.

 Entweder sich an diesen Stufen helfen lassen oder wieder zurück und hintenherum fahren – das sind die Alternativen am Platz Pont sur Yonne.

Entweder sich an diesen Stufen helfen lassen oder wieder zurück und hintenherum fahren – das sind die Alternativen am Platz Pont sur Yonne.

Foto: Herbert Thormeyer
 Gemeinsam mit Gisela Degen testete Bürgermeister Andreas Hackethal Morbach als Rollstuhlfahrer.

Gemeinsam mit Gisela Degen testete Bürgermeister Andreas Hackethal Morbach als Rollstuhlfahrer.

Foto: Herbert Thormeyer

Morbach. Ein Falschparker auf dem Gehweg: Bloß den Lack nicht verkratzen, lieber doch geschoben werden. Morbachs Bürgermeister Andreas Hackethal wählt im Rollstuhl die sichere Variante. Der Rathauschef testet gemeinsam mit einer Betroffenen, wie behindertengerecht Morbach ist. Doch so viel Übung wie Rollstuhlfahrerin Gisela Degen (41) aus Wederath hat er nicht.
Beim Test dabei ist auch Anita Reichert, Vorsitzende des Bereichs Mittelmosel im Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter. Sie macht auf Möglichkeiten aufmerksam, das Leben von Rollstuhlfahrern zu erleichtern: "Es sind oft kleine Änderungen, die nicht viel kosten. Man muss es nur wollen." Auch ältere Leute mit Rollator würden davon profitieren. Im Rollstuhl fotografiert zu werden lehnt Hackethal ab. Dafür sei das Thema zu sensibel. Gleichwohl wolle er mithelfen, mehr Bewusstsein für diese Problematik zu schaffen. Aufmerksamkeit erregt er auf jeden Fall: Leicht irritiert bis besorgt zeigen sich Bürger, die Hackethal im Rollstuhl sehen. "Ist Ihnen was passiert? Kann ich helfen?", fragt Alain Neis erschrocken.
Alltägliches zu erledigen ist die Aufgabe des Tests. Erste Station: ein Geldautomat. Da kommt Hackethal gut zurecht. Nicht so Gisela Degen. Sie hat eine Behinderung an den Händen und kann die Geldscheine an den neuen Automaten, die vermehrt alte Modelle verdrängen, nicht greifen: "An früheren Automaten schauten die Scheine noch raus."
Bei Blumen Thömmes könnte nach Ansicht von Anita Reichert der Eingang mit einer kleinen Rampe barrierefrei gestaltet werden. Christine Thömmes kontert: "Einmal um die Ecke, da ist ein Eingang ohne Stufe." Reichert entgegnet: "Ja, aber ein entsprechendes Schild wäre doch schön."
Ein Besuch im Dorfkrug. Wirt Bernd Später sagt: "Über eine Rampe haben wir bereits nachgedacht, denn in direkter Nähe gibt es ja auch einen Behindertenparkplatz." Hackethal bietet an, über die Umsetzung zu reden.
Weiter geht\'s, doch die Fahrt endet abrupt an zwei Stufen am Platz Pont-sur-Yonne. Da gibt es zwar auch Behindertenparkplätze, doch Rollstuhlfahrer müssen außen um den Platz herum.
Ganz allgemein muss der Verwaltungschef feststellen: "Morbach liegt irgendwie immer am Hang." Das erfordere vom Rollstuhlfahrer gute Fitness. Vorbildhaft sei dagegen der behindertengerechte Ausbau des Gemeindehauses in Heinzerath. "Da sind wir sehr stolz drauf", sagt Ortsvorsteher Friedhelm Schlarp. Am Schluss stellt sich Hackethal mit dem "Rolli" auf den 15 000 Euro teuren Treppenlifter.
"Es geht darum, dass Betroffene nicht überall betteln wollen, um irgendwo reinzukommen", macht Anita Reichert klar. "Diese Erfahrung mit dem Rollstuhl hat mir die Augen geöffnet", sagt Hackethal. In künftigen Entscheidungen soll bewusst auf diese Herausforderungen eingegangen werden.
Selbstbestimmtes Leben in einer Welt ohne Barrieren ist das Ziel der Arbeit des Bundesverbandes Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. Im Internet wird unter www.bsk-mittelmosel.de umfassend informiert. Anita Reichert ist unter Telefon 06534/940066 oder 0171/1469564 erreichbar.

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