Wenn aus dem Miteinander ein Gegeneinander wird

BERNKASTEL-WITTLICH. Einen deutlichen Zuwachs an Konfliktpotenzial in Unternehmen verzeichneten Führungskräfte, Belegschaften und Berater in den vergangenen Jahren. Patentrezepte zur Vermeidung gibt es nicht, doch Verdrängen verschärft die Problematik. Daher bietet die Industrie- und Handelskammer (IHK) Seminare zu Konfliktmanagement an.

Allein die Tatsache, dass weit mehr als 100 Zuhörer aus den Firmen der Region zum Vortrag von Unternehmensberater Ekkehard Nau gekommen waren, verdeutlicht die Brisanz des Themas "Betriebsinterne Konflikte". "Wirtschaftliche Krisen, nicht gut gelöste Nachfolgeregelungen oder auch Fusionen führen dazu, dass immer häufiger und mit immer mehr Druck die Auseinandersetzungen negativ verlaufen", erzählt der Soziologe aus seiner Berufspraxis.Folge der Streitigkeiten: Kunden wandern ab

Fragen von persönlicher Macht und Konkurrenzdenken führten unter schwierigen Marktbedingungen verstärkt zu Streit und Schieflagen, die letztlich den Bestand des Geschäfts und den ordnungsgemäßen ökonomischen Ablauf gefährden. Zudem irritiert das auch die Kunden, so dass sie möglicherweise abwandern. Die Gründe, die zu Konflikten führen, sind vielfältig und liegen sowohl im organisatorischen als auch im persönlichen Bereich: "Da passt etwa im Maschinenbau der Anspruch auf individuellen Service für den Kunden nicht zur geringer Fertigungstiefe. Da widerspricht die regionale Aufteilung des Außendienstes der Motivation der einzelnen Vertriebler, oder es werden von vornherein Teams aus Persönlichkeiten zusammengestellt, die in ihren Temperamenten einander lähmen oder unverständlich bleiben", beschreibt Nau die häufigsten Reibungsebenen. In Krankenhäusern etwa komme es vermehrt zu Unvereinbarkeiten der herkömmlichen Hierarchie mit der neuen betriebswirtschaftlichen Ausrichtung des Gesundheitswesens. "Allgemeine Patentrezepte, wie man Konflikte lösen oder vermeiden kann, gibt es nicht, auch wenn sie heiß ersehnt werden", betont Nau. "Es kommt auf die Haltung und die Wahrnehmung an: Wird ein Konflikt als Katastrophe empfunden und nicht als normale Herausforderung des Managements, so wirkt er um so schlimmer." Auf die lange Bank schieben oder ganz verdrängen sei eine Sünde, die sich räche, weil sich die Konfliktfelder in der Regel immer weiter ausbreiten. In vielen Fällen sei es ratsam, externe Hilfe etwa in Form von Mediation oder Coaching zu holen, denn intern seien die Probleme nur in frühen Stadien der negativen Entwicklung zu beheben und auch nur dann, wenn die Geschäftsführung als neutral und gerecht von den Beteiligten respektiert werde. Sei sie selbst Teil des Problems - das ist meistens der Fall - so könne sie nicht bereinigend eingreifen. Nur zurückhaltend geben Betroffene aus Unternehmen ihre Erfahrungen preis. Fast nur jüngere Führungskräfte gehen dieses Wagnis ein. Oft wird deutlich, dass zwar handwerkliche und wirtschaftliche Ausbildung ausreichend vorhanden sind, jedoch kein Wissen im Umgang mit Gruppendynamik. "Zwei meiner Mitarbeiter haben keine Achtung mehr voreinander, zudem versucht jeder, seine ‚Truppen' hinter sich zu sammeln und die Belegschaft zu spalten. Ich weiß gar nicht, wie ich das stoppen könnte", sucht eine Jungunternehmerin nach Rat. Bereits im Vorfeld komme es darauf an, nicht nur die fachlichen Qualifikationen bei der Zusammenstellung von Teams und Abteilungen zu berücksichtigen, sondern die Persönlichkeiten, die in so genannten Profilings erkannt werden können. "Zwei Menschen mit ausgeprägtem Dominanzverhalten auf derselben Hierarchie-Ebene bringen ebenso zwangsläufig Probleme mit sich wie etwa eine Führungskraft, die eher introvertiert und zögerlich handelt.Entweder Logiker oder kreativer Denker

Für bestimmte Aufgaben braucht man ausgesprochen kreative und spontane Denker, für andere wiederum leidenschaftslose Logiker." Seien die Positionen dementsprechend falsch besetzt, müsse entweder eine personelle Veränderung oder eine neue organisatorische Struktur her. Dass Konflikte ein harter Wirtschaftsfaktor sind, belegen die USA: "Dort gehen jährlich 35 Milliarden Dollar allein in Schäden durch Gewalt am Arbeitsplatz verloren", schildert Nau. "Wissenschaftliche Studien für Deutschland, Österreich und die Schweiz ergeben, dass rund 15 Prozent des gesamten Arbeitszeitvolumens ausschließlich für Konflikte verschwendet werden."

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