Erste Stolpersteine in Hellenthal verlegt

Hellenthal · Viel wurde in Hellenthal über die "Stolpersteine" diskutiert. Vier wurden gestern verlegt, sechs sind im "Kirchenasyl", da ein Anwohner der Verlegung nicht zugestimmt hat. Letztere erinnern an die Familie Rothschild, deren Nachfahre Julio bewegende und versöhnliche Worte fand.

 Hellenthal ist die 898. Station, an der Gunter Demnig Stolpersteine verlegt hat. Julio (v.l.), Irma und Carmen Rothschild waren aus den USA und Mexiko zu Ehren ihrer von den Nazis vertriebenen Eltern angereist. Foto: Stefan Lieser

Hellenthal ist die 898. Station, an der Gunter Demnig Stolpersteine verlegt hat. Julio (v.l.), Irma und Carmen Rothschild waren aus den USA und Mexiko zu Ehren ihrer von den Nazis vertriebenen Eltern angereist. Foto: Stefan Lieser

Hellenthal. Es waren bewegende Stunden - zunächst an der evangelischen Kirche, danach in der Kölner Straße - ,die die rund 100 Gäste erlebten, als die ersten Stolpersteine in der Gemeinde verlegt wurden. Vier dieser Steine wurden von Künstler Gunter Demnig im Gehweg an der Kölner Straße 66 eingelassen, sechs weitere, die im Trottoir im Kirschseiffen verlegt werden sollten, erhalten bis auf weiteres "Kirchenasyl".
Stolpersteine als Goldstücke


Initiiert wurde die Aktion von der Initiative Judit.H (Juden im Tal, Hellenthal). Deren Sprecher Karl Reger wies darauf hin, dass diese Stolpersteine "Goldstücke im Straßenbild von Hellenthal sein werden", auch wenn die sechs Erinnerungssteine für die von den Nationalsozialisten verfolgten und teilweise ermordeten Mitglieder der Familie Rothschild zunächst "Kirchenasyl" finden. Der heutige Besitzer des Grundstücks hatte sich gegen eine Verlegung der Betonsteine mit der Messingplatte, in der die biografischen Daten der ehemaligen Bewohner des Hauses eingraviert sind, ausgesprochen.
Bürgermeister Rudolf Westerburg fand klare Worte: "Die Steine werden dem Image von Hellenthal nicht schaden." Er und Reger begrüßten die eigens aus den USA und Mexiko angereisten noch lebenden Kinder des 1938 vor den Nationalsozialisten geflohenen Julius Rothschild und seiner Frau.
Julius Rothschild jr. (61 Jahre), der sich heute Julio nennt, sowie seine Schwestern Carmen (66) und Irma (64) wohnten der Einbettung der sechs Gedenksteine für ihre Verwandten in einer sandgefüllten Holzkiste zum weiteren provisorischen Verbleib in der der evangelischen Kirche bei.
Julio Rothschild zeigte auch im Namen seiner beiden Schwestern Verständnis für den Anwohner, der keine Zustimmung zur Stolperstein-Verlegung vor dem Haus im Kirschseiffen gegeben hatte: "Wir respektieren die Entscheidung desjenigen, der heute unser Elternhaus bewohnt. Er hat uns eingeladen und uns das Haus gezeigt. Wir bitten alle, die privaten Gründe des heutigen Bewohners ebenfalls zu akzeptieren. Wir hoffen nur, dass die Menschen möglichst alles darüber erfahren, was zu der Flucht unserer Eltern führte. Wie sie gelitten haben und wie schwer es für sie war, in Mexiko ein neues Leben aufzubauen."
Gelegenheit dazu gibt\'s nun in einer kleinen, sorgfältig zusammengestellten Ausstellung, die im Gemeindehaus über das Schicksal der jüdischen Familien der Eifelgemeinde zur NS-Zeit informiert.
Als Gunter Demnig behutsam die Rothschild-Stolpersteine in ihr Sandbett einsetzte, war Julio Rothschild sichtlich gerührt: "Ich empfinde tiefen Frieden in mir. Das ist der wichtigste Moment meines Lebens!"
Wenig später in der Kölner Straße, wo Demnig Hellenthals erste Stolpersteine verlegte, kam es zu einer Panne. Die für die damals dort wohnende Familie Löwenstein vorgesehenen Steine waren schlicht an der evangelischen Kirche vergessen worden. Die Polizei Schleiden, die ohnehin vor Ort war, um mit der Feuerwehr die Straße für die Dauer der Zeremonie zu sperren, half schnell aus: So wurden die Stolpersteine vom evangelischen Pfarrer Oliver Joswig unter "Polizeischutz" an ihren Bestimmungsort gebracht.
Umrahmt wurden die Zeremonien von Musik des "Trio col legno". Fünf Schüler des Städtischen Gymnasiums Schleiden erinnerten an die Opfer des NS-Terrors, derer nun in Hellenthal gedacht wird. Sie trugen Kurzbiografien von Leopold, Johanna, Ella, Siegfried, Arno und Julius Rothschild sowie von Gottfried, Sara, Erna und Selma Löwenstein vor. Am Vorabend der Stolpersteinverlegung hatte die Evangelische Kirchengemeinde in den Gemeindesaal zu einem Vortrag von Gunter Demnig über sein Stolperstein-Projekt eingeladen. 800 Handzettel hatten Judit.H und die Kirchengemeinde zuvor unter anderem beim Hellenthaler Straßenfest verteilt, um auf die zweitägige Veranstaltung hinzuweisen.

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