Kassen: Ärzte im Land verdienen Millionen mit unnötigen Leistungen

Trier · Zu hohe Honorare und fragwürdige Einnahmen durch Extra-Behandlungen: So kritisieren Krankenkassen die von ihnen mitfinanzierten Ärzte. Deren Verbände wehren sich. Allerdings sind Zusatzleistungen, die Patienten selber zahlen, auch unter den Medizinern umstritten.

Zwischen Krankenkassen und niedergelassenen Ärzten tobt ein Streit um die Einkünfte der Mediziner. Ärzteverbände drohten am Wochenende mit Streiks, wenn die Versicherungen den Kassenärzten wie angekündigt die Honorare um sieben Prozent kürzen. Die Kassen wiederum stellen nun auch die zusätzlichen Einnahmen der Ärzte infrage, die jene mit individuellen Gesundheitsleistungen (Igel) erzielen. 80 bis 100 Millionen Euro geben Patienten dafür allein in Rheinland-Pfalz jährlich aus, schätzt Martin Schneider, Chef des Verbandes der Ersatzkassen in Rheinland-Pfalz. Er spricht von Wildwuchs bei den Igel-Angeboten. Viele von ihnen seien fragwürdig, einige sogar schädlich für die Patienten.

Zu den Igel-Behandlungen zählen Ultraschalluntersuchungen beim Frauenarzt, Akupunktur beim Hausarzt oder die Grüner-Star-Vorsorge beim Augenarzt. Die Kassen kommen dafür nicht auf. Begründung: Sie seien entweder medizinisch nicht notwendig, oder es handele sich um Leistungen, die rein privaten Zwecken dienen, etwa Reiseschutzimpfungen. Trotzdem nehmen Patienten die Zusatzleistungen in Anspruch; etwa 1,5 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland für 380 verschiedene Igel-Behandlungen ausgegeben. Pro Praxis wären das durchschnittlich 10.000 Euro.

"Patienten haben Anspruch auf eine ärztliche Betreuung, die über die Vorgaben der gesetzlichen Versicherungsleistungen hinaus geht, wenn sie sich eigenverantwortlich hierfür entscheiden", sagt Rainer Saurwein, Sprecher der Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz. Mit Igel würden medizinisch sinnvolle, aber nicht zwingend notwendige Leistungen angeboten. Außerdem sicherten die individuellen Gesundheitsleistungen für viele Arztpraxen die Existenz. Ein mögliches Verbot gefährde die ärztliche Versorgung.

"In der Zahnmedizin ist die Anwendung privat vereinbarter Leistungen alltäglich und seit vielen Jahren bewährt", sagt der Dauner Zahnarzt Rainer Lehnen, Sprecher der Landeszahnärztekammer. Sie sichere den Kassenpatienten die "Teilhabe am medizinischen Fortschritt" und ermögliche ihnen Komfort etwa bei Zahnfüllungen oder Zahnersatz.

Anders bewerten Allgemeinmediziner die Igel-Behandlungen. Er wenig halte davon, und sie spielten ohnehin kaum eine Rolle bei Hausärzten, sagt Burkhard Zwerenz aus Prüm, Vorsitzender des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbandes.

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