Nahe am Eigentor

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika im Juni steht bereits auf dem Reisekalender vieler Bundespolitiker. Auch Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel plant, zur WM in Südafrika zu sein. Dafür wird er heftig kritisiert.

Berlin. Vor vier Jahren, als die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand, saßen logischerweise besonders viele deutsche Politiker auf den Ehrentribünen der Stadien. Im Juni in Südafrika wird das allein wegen der langen und kostspieligen Anreise anders sein. Nach derzeitigem Stand wollen drei Regierungsmitglieder ihre Koffer packen und zur WM aufbrechen - einer von ihnen hat sich mit seinen Reiseplänen schon jetzt Ärger eingehandelt: Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP).

"Ich habe schon alle Spiele und Konstellationen in meinem Terminplan notiert", hatte Angela Merkel vor wenigen Wochen bei einem Treffen mit der Spitze des DFB und der Nationalelf gesagt. Die Kanzlerin wird fliegen, aber noch hält sie sich bewusst bedeckt, zu welchem Spiel. Denn am liebsten würde sich Merkel im Glanz von Siegern sonnen. Insofern ist es geschickt, erst abzuwarten, wie das Turnier für die deutschen Elite-Kicker verläuft. Sollte es die Truppe von Jogi Löw sogar bis ins Endspiel schaffen, wird Merkel auf alle Fälle dabei sein.

Noch kein Kanzler hat sich diese Chance auf Bilder im Kreise der Fußballhelden entgehen lassen. 2002, als Deutschland im Finale gegen Brasilien antrat, reiste Gerhard Schröder flugs nach Yokohama. Genutzt hat es nichts, das Team verlor. Beim WM-Finale 1986 machte Bundeskanzler Helmut Kohl der deutschen Mannschaft in Mexiko seine Aufwartung - und herzte die Spieler nach der Niederlage gegen Argentinien so fest, dass sich einige fast erdrückt fühlten.

"Mindestens eine Vorrundenbegegnung" der Deutschen will sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) anschauen. Der Mann hat keine andere Wahl, er kann anders als Merkel nicht taktisch auf Siege oder Niederlagen der Mannschaft Rücksicht nehmen. Schließlich ist er als Minister auch für den Sport zuständig. Der Dritte im Bunde der regierungsamtlichen WM-Touristen ist Dirk Niebel.

Nun könnte man sagen, da das Turnier erstmals in Afrika stattfindet, ist es durchaus angemessen, dass der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auch nach Südafrika fliegt. Doch das scheint Niebel selbst nicht so zusehen - stattdessen begründet er seinen WM-Trip nahe am Eigentor: Er plane im Juni eine "entwicklungspolitische Delegationsreise nach Afrika, die ihn möglicherweise auch nach Südafrika führen wird", heißt es sicherheitshalber schwammig in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen. Das wäre dann die dritte Afrikareise des Ministers in sechs Monaten. Für den tourismuspolitischen Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Markus Tressel, ist damit klar: Niebel wolle nur seinen WM-Besuch tarnen.

Denn: "Es ist schon merkwürdig, dass der Minister seine Delegationsreise ausgerechnet zum Zeitpunkt der Fußball-WM plant", so Tressel zu unserer Zeitung. Demnach erwägt Niebel einen Besuch des letzten Vorrundenspiels der Nationalmannschaft gegen Ghana, wenn ein Zusammentreffen mit Vertretern "des Partnerlandes der deutschen Entwicklungszusammenarbeit Ghana im Rahmen des Länderspiels" möglich sein sollte. Wolle Niebel sich dem Projektpartner nähern, "dann soll er nach Ghana fahren und nicht ins Fußballstadion", rät Tressel.

Niebel ist übrigens großer Rugby-Fan.

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