Zu Besuch im Maarviertel

Für Marie-Luise Wendhut sind mit Trier vor allem Kindheitserinnerungen verbunden. Als kleines Mädchen verbrachte sie die Ferien bei ihrer Großmutter, die im Maarviertel eine Gärtnerei betrieb.

Mein Trier - damit sind für mich unvergessliche Kindheitserinnerungen verbunden. Meine Großmutter Emilie hatte nach dem Ersten Weltkrieg Johann Caspar Mock geheiratet - einen Spross der Trierer Gärtnerfamilie Mock. Sie wohnte mit ihrem Mann in der Maarstraße 86 und bekam vier Kinder.
Leider starb unser Großvater im Jahr 1936 viel zu früh. Meine Großmutter führte die Gärtnerei danach alleine weiter. Zwei Mal in der Woche verkaufte sie Obst, Gemüse und Blumensträuße an einem Stand auf dem Viehmarkt. "Wwe. Johann Mock" stand auf einem Schild an ihrer Marktbude.
Ich wurde 1949 in dem Haus "im Maar" (Maarviertel) geboren, aber ich wuchs in Traben-Trarbach auf. Die Schulferien durften jedoch wir bei der Oma verbringen. Wir waren immer aufgeregt und voller Vorfreude, wenn wir unsere kleinen Köfferchen packten und mit der Eisenbahn nach Trier fuhren.
Vom Hauptbahnhof gingen wir dann zu Fuß bis in die Maarstraße - vorbei an den vielen zerbombten Häusern. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie düster und kaputt die Straßenzüge Anfang der 50er Jahre aussahen. Umso schöner dann die "heile Welt" im Maar - Gärtnerei an Gärtnerei und ein freier Blick in Richtung Kockelsberg. Und jede Viertelstunde schlug die Glocke vom Turm der Martinskirche - ihren Klang habe ich noch heute im Ohr.
Im Hof und in der Gärtnerei meiner Großmutter war es wunderschön. Immer waren Cousins zum Spielen dort, und das frische Gemüse schmeckte wunderbar. Hektisch wurde es vor den Markttagen, wenn die Oma, unsere Mutter und unsere Tanten mit der Ernte und dem Vorbereiten der Waren beschäftigt waren. Besonders schön war es, wenn die Frauen abends in der Küche die Blumensträuße banden. Das hat immer so gut geduftet, und es wurde dabei gesungen und viel erzählt. Noch heute zählen die Bartnelken aus diesem Grund zu meinen Lieblingsblumen.
Als wir dann älter wurden, reduzierten sich die Besuche. Und in den 70er Jahren konnte die Oma dann auch nicht mehr auf den Markt gehen. Die Gärtnerei wurde gegen eine Leibrente an die Stadt Trier verkauft. Auf dem Areal, zu dem auch die umliegenden Gärtnereien anderer Familien aus dem Hause Mock gehörten, wurde später eine riesige Wohnanlage gebaut.
Ende der 70er Jahre verkaufte meine Großmutter auch das Wohnhaus in der Maarstraße und zog mit ihrem Sohn und seiner Frau in den Weidengraben.
Dort habe ich sie im August 1982 in einem meiner Heimaturlaube besucht - nicht ahnend, dass sie nur einen Monat später von uns gehen sollte. Zum Abschied schenkte sie mir das letzte Paar Wollsocken, das sie gestrickt hatte. Es ist zwar mittlerweile etwas fadenscheinig, wärmt mir aber immer noch die Füße. Und meine Seele wird gewärmt von den wunderbaren Kindheitserinnerungen an das Maarviertel.
Aus alten Alben - TV-Leser haben uns alte Bilder eingesandt und erzählen dazu Geschichten. Sie haben auch ein historisches Bild aus Trier und dem Umland und können dazu etwas erzählen? Schreiben Sie uns an
trier@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort