Bauchweh, Stille, Hoffnung

Anspannung zu Beginn, weitgehend Erleichterung zum Schluss: Bei der bestbesuchten Betriebsversammlung des Gerolsteiner Brunnens am gestrigen Nachmittag durchlebten die Beteiligten ein Wechselbad der Gefühle - und nahmen alles ungefragt hin.

 Anspannung und Ungewissheit vor (Foto links), weitgehend Erleichterung nach der Betriebsversammlung: Die Beschäftigten des Gerolsteiner Brunnens haben gestern erneut ein Wechselbad der Gefühle durchgemacht. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

Anspannung und Ungewissheit vor (Foto links), weitgehend Erleichterung nach der Betriebsversammlung: Die Beschäftigten des Gerolsteiner Brunnens haben gestern erneut ein Wechselbad der Gefühle durchgemacht. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

Gerolstein. Sie tragen Anzug ebenso wie Blaumann, sind noch in der Ausbildung oder schon seit Jahrzehnten dabei und strömen buchstäblich aus allen Richtungen herbei (denn auch die Außendienstler aus der gesamten Republik sind eingeladen): Der Ansturm auf die Betriebsversammlung des Gerolsteiner Brunnens am gestrigen Nachmittag ist so groß wie nie zuvor. Rund 550 Beschäftigte kommen in die Stadthalle im Rondell. Der Informationsbedarf der Mitarbeiter, wie es mit dem durch die Absatzkrise ins Wanken geratenen Unternehmen und vor allem mit einem selber weitergehen soll, ist riesengroß. Die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz nach wie vor vorhanden - selbst, wenn man diesmal nicht zu denjenigen zählte, die den Job verloren haben. Denn die waren erst gar nicht mehr zur Versammlung eingeladen worden. Doch auch das ist Thema unter den Mitarbeitern, die alle nicht namentlich genannt werden wollen. "Nach welchen Kriterien sind die Kündigungen ausgesprochen worden?", fragt einer. Ein anderer berichtet: "Der Abteilungsleiter ist auf den Betroffenen zugegangen und hat ihm gesagt, dass er sich im Personalbüro melden soll. Und kurz später durfte er schon seinen Spind räumen." Sein Kollege sagt: "Da waren auch Familienväter dabei, die gebaut haben. Das ist schon hart."

Zu Beginn haben die meisten ein mulmiges Gefühl



Doch so recht wollen sich auch die Anwesenden vor der Versammlung nicht in Sicherheit wiegen. "Schauen mer mal, was rauskommt", "Mal sehen, was heute verkündet wird" oder "An eine Jobgarantie glaube ich nicht", reichen die Statements der Beschäftigten auf TV-Nachfrage. Ihnen allen gemein: ein mulmiges Gefühl. Einer bringt es auf den Punkt: "Klar bin ich froh, dass es mich nicht getroffen hat, aber ein wenig Angst habe ich immer noch." Wiederum ein anderer, der als Maschinenführer arbeitet, sagt: "Es wäre gut, wenn heute ein Schlussstrich gezogen wird, damit wir wieder in Ruhe arbeiten können. Es hat alles sehr lange gedauert."

Und als ob keiner den Schlussstrich noch weiter unnötig herauszögern will, stellt niemand der 550 Anwesenden eine Frage - weder nach den Ausführungen von Geschäftsführer Axel Dahm noch nach denen von Betriebsrat Karl Hermes.

Die Beschäftigten wollen den Blick nach den monatelangen und zermürbenden Verhandlungen, der Zeit der Ungewissheit nun endlich wieder nach vorne richten. Sie ist förmlich greifbar, die Hoffnung auf bessere Zeiten, sprich mehr Absatz. Die teilt auch Klaus Schu von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG): "Der Betriebsrat hat ein gutes Ergebnis erzielt, die Geschäftsführung anerkannt, dass es ohne die Arbeitnehmerseite nicht geht. Jetzt kann man nur hoffen, dass die neue Qualitätsstrategie auch greift."

In die gleiche Kerbe schlägt auch Matthias Pauly, Bürgermeister des Gerolsteiner Landes: "Wenngleich jede Kündigung traurig stimmt, bin ich froh, dass Betriebsrat und Geschäftsführung einen gemeinsamen Weg gefunden haben, den Arbeitsplatzverlust zu begrenzen. Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass jetzt die notwendige Ruhe einkehrt, damit das Unternehmen wieder zu alter Stärke findet."

Meinung

Eine gute Basis

Definitiv hart für die Vulkaneifel sind die 32 Kündigungen. Doch angesichts der Befürchtung, 300 Jobs könnten auf der Kippe stehen, muss das Verhandlungsergebnis als guter Kompromiss erachtet werden. Der Betriebsrat hat mit Beharrlichkeit, Mut und eigenen Ideen um jeden Job gekämpft, die Geschäftsführung sich letztlich geöffnet und einen fairen Austausch zugelassen. Eine gute Basis für das gemeinsame Ziel, den Tanker wieder auf Kurs zu bringen. m.huebner@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort