Auf der Suche nach den Machern von morgen

Trier · Beim 10. Trierer Bildungsgespräch haben sich an der Uni 80 Experten aus Theorie und Praxis getroffen, um gemeinsam Strategien dafür zu entwickeln, wie man in der Region Trier mehr Schüler für Fachgebiete wie Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik ("MINT") gewinnt. Ein gemeinsames Netzwerk soll helfen.

Trier. Manchmal lässt sich ein komplexes Problem auf ein ganz einfaches Beispiel bringen. Vor kurzem, so berichtet IHK-Bildungsexperte Jürgen Tilk, habe ein namhaftes Mitgliedsunternehmen der Trierer Kammer zwei Stellen als Betriebselektriker ausgeschrieben. Ein anspruchsvoller, spannender, ordentlich bezahlter und ziemlich krisensicherer Job. Es gab genau drei Bewerbungen.
Kein Zufall. Die Mitarbeiter des Trierer Modellprojekts "Lernen vor Ort" haben im letzten Jahr 500 Schulabgänger befragt und herausgefunden, dass für fast zwei Drittel der männlichen und mehr als 90 Prozent der weiblichen Abgänger ein MINT-Beruf nicht infrage kommt. Büro-Jobs, Gesundheitswesen oder Dienstleistungsbranchen sind stärker gefragt. Oder "irgendwas mit Medien", wie ein beinah geflügeltes Wort lautet.
Heftiger Verdrängungsprozess


Den IHK-Mann Tilk lässt das nicht ruhen. Schließlich kennt er die berühmte demografische Entwicklung. Etliche seiner Betriebe wollen ihr Ausbildungs-engagement ausweiten, aber die Zahl der Schulabgänger begibt sich langsam in den Sinkflug. "Das gibt einen heftigen Verdrängungswettbewerb", ahnt Tilk.
Vielleicht sind deshalb so viele Vertreter von Schulen und Firmen an diesem Freitagnachmittag zum 10. Trierer Bildungsgespräch an die Uni gekommen. Die Profis von "Lernen vor Ort" wollen ihre bisherigen Aktivitäten in Sachen MINT-Fächer dokumentieren und gleichzeitig die Gründung eines Netzwerks vorantreiben. Denn, da sind sich Theorie und Praxis einig: Nur mit einem gut abgestimmten Angebot von der Kita bis zur Berufslaufbahn ist es zu schaffen, die Abneigung gegen den mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Sektor zu überwinden.
"Lernen vor Ort", das ist eine Art Bildungsfachprojekt, vom Bund gefördert, beim Oberbürgermeister der Stadt Trier angesiedelt. Man beackert etliche Bildungsthemen, aber MINT ist eines der wichtigsten. So hat man ein Konzept entwickelt, das ganz früh ansetzt. 86 Erzieherinnen aus der Stadt und den Kreisen wurden weitergebildet, damit sie ihre Kita als "Haus der kleinen Forscher" qualifizieren können.
Mit 17 Grundschulkollegien hat man Ideen entwickelt, wie das Interesse der Schüler an den Wissenschaftsfächern gefördert werden könnte. Viele Grundschulen wurden mit einer "Klassen-Kiste" als technische Grundausstattung versorgt. Für Erzieherinnen und Lehrer steht seit kurzem ein Trierer "Praxis-Handbuch" zur Verfügung.
Angebote für Schüler



Für die weiterführenden Schulen haben Uni und FH einen Katalog mit mehr als 80 Kooperationsangeboten herausgegeben. Vorträge, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer, Info-Tage für Schüler, Vorlesungen, Projekte: Alles ist konkret mit Kontakten und Rahmendaten angegeben.
Ein vergleichbares Netzwerk mit der Wirtschaft wäre wünschenswert. Wie das aussehen kann, skizziert Gastreferentin Melanie Langefeld aus dem Kreis Lippe, der bundesweit als Vorreiter gilt. Dort verzahnt die Bildungsgenossenschaft Lippe in den letzten Schuljahren den Unterricht mit kontinuierlichen Firmen-Praktika, so dass der Übergang begabter Schüler zu MINT-Unternehmen fast automatisch funktioniert.
Davon ist Trier noch ein Stück entfernt - aber die Kontakte zu rund 80 Kooperationspartnern lassen hoffen.
Zumindest für die nächste Zeit scheint die Weiterentwicklung sicher, zumindest für alle, die beim Bildungsgespräch genau hinhören: Fast versteckt lässt "Lernen vor Ort"-Projektleiter Rudolf Fries durchblicken, dass der Bund das Trierer Renommierprojekt für weitere zwei Jahre fördern wird.
www.lernen-vor-ort-trier.de
Extra

Die Zahl der Beschäftigten in MINT-Berufen in Rheinland-Pfalz wächst. MINT-Berufe sind aber nach wie vor Männerdomänen. Im Jahr 2010 waren in Rheinland-Pfalz rund 77 500 Männer in den zukunftsträchtigen und meist gut bezahlten MINT-Berufen beschäftigt, aber nur 17 200 Frauen. Zwar konnten Frauen seit 1999 einen mit 10,9 Prozent deutlich stärkeren Beschäftigungszuwachs verbuchen als Männer mit 2,3 Prozent. Dennoch sind Frauen in den MINT-Berufen weit davon entfernt, zu den Männern aufzuschließen. Dies geht aus einer Studie des regionalen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hervor, die jetzt von der Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht wurde. Männer waren vor allem in den Ingenieurberufen und den Technikerberufen deutlich stärker vertreten als Frauen. Fast 44 Prozent der Männer mit Berufen im MINT-Bereich waren Techniker, aber nur 21,3 Prozent der Frauen. Auch in den Ingenieurberufen dominierten Männer, nur 13,4 Prozent aller Frauen in MINT-Berufen arbeiteten als Ingenieurinnen. Der unter Frauen beliebteste Ingenieurberuf war Architektin/Bauingenieurin. Rund 40 Prozent der Frauen in MINT-Berufen arbeiteten als Technische Sonderfachkräfte, beispielsweise als Chemielaborantin oder Technische Zeichnerin, wohingegen in diesen Berufen nur elf Prozent der Männer in MINT-Berufen zu finden waren. Nur knapp 220 Frauen absolvierten im Jahr 2010 ihre Ausbildung im MINT-Bereich. red

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