Der tiefe Fall der ältesten Olympia-Ballsportart

Berlin (dpa) · Keine Olympia-Teilnahme, kein WM-Start, kaum Nachwuchs - und künftig weniger oder gar keine Förderung? Deutschlands Wasserball hat eine ungewisse Zukunft.

Es ist so etwas wie die Stunde Null im deutschen Wasserball. Gesucht werden: Ein Bundestrainer, hoffnungsvoller Nachwuchs und vor allem eine finanzielle Perspektive.

Nach der verpassten Qualifikation für die Olympischen Spiele und die WM drücken die älteste Olympia-Ballsportart in Deutschland mehr Sorgen denn je.

Der einstige starke Mann versucht sich zumindest in Optimismus. „Wir kämpfen schon lange, uns über Wasser zu halten. Ich bin guten Mutes, dass wir das schaffen können“, sagt Hagen Stamm. Ein Comeback als Bundestrainer schließt die deutsche Wasserball-Legende dabei aus. „Es juckt immer wieder sehr, das muss ich zugeben. Aber das kommt nicht in Frage für mich. Ich bin politisch viel zu schwierig“, sagt der Präsident des Serienmeisters Wasserfreunde Spandau 04 der Deutschen Presse-Agentur vor der am Wochenende startenden Bundesliga-Saison.

Der Unternehmer Stamm war von 2000 bis 2012 Bundestrainer, gewann 1984 als Spieler Olympia-Bronze. Dazu durfte er 1981 und 1989 den EM-Titel bejubeln, bei der WM 1982 wurde das deutsche Team mit ihm Dritter. Die Gegenwart ist indes aber trist: Bei der EM im Januar reichte es gerade einmal zu Platz elf, bei der Olympia-Qualifikation im April ging das entscheidende Spiel gegen Rekord-Olympiasieger Ungarn knapp verloren.

Nach dem zweiten verpassten Olympia in Serie hatte der erst im Jahr zuvor ins Amt beförderte Bundestrainer Patrick Weissinger keine Zukunft mehr. Er verabschiedete sich mit einer pessimistischen Einschätzung: „Wir waren vor vier Jahren schon an einem Tiefpunkt und sind jetzt noch tiefer. Wir haben verpasst, international konkurrenzfähig zu sein in Sachen Ausbildung und Nachwuchsförderung. Das müssen wir jetzt ausbaden, und das dauert vier bis acht Jahre.“

So viel Zeit hat das deutsche Wasserball aber nicht. Im Zuge der Spitzensportreform ist fraglich, wie viel öffentliche Fördergelder nach 2018 noch fließen. Oder gibt es am Ende gar nichts mehr? Die jüngsten Resultate der Nationalmannschaft waren kein Empfehlungsschreiben. Der Deutsche Schwimm-Verband wollte aus finanziellen Gründen zunächst die Männer-Nationalmannschaft gar nicht erst für die diesjährige Weltliga melden. Mit verringertem Budget wurde nach Gesprächen mit dem Weltverband doch noch eine Teilnahme ermöglicht.

Wer am 15. November im ersten Gruppenspiel Trainer sein wird, ist offen. Mangels Qualifikation wohl kein Deutscher. „Es ist eine desolate sportliche Situation“, sagt der Fachsparten-Vorsitzende Hans-Jörg Barth. Desillusioniert gibt er seinen Posten zum Verbandstag Anfang November auch aus gesundheitlichen und beruflichen Gründen auf.

Hoffnungsvoller Nachwuchs ist kaum in Sicht, wie in vielen anderen Sportarten auch. Bei der U19-Europameisterschaft wurden deutsche Männer und Frauen jeweils nur Elfte. „Es ist immer schwerer, Jungs zu finden, die Wasserball spielen. Wir müssen es schaffen, dass Kinder Speichelfluss kriegen“, sagt Stamm. Er weiß wovon er spricht: Sein Sohn Marko (28) spielt bei den Wasserfreunden und in der Nationalmannschaft.

Bei allen Zukunftssorgen bleibt Hagen Stamm optimistisch und begründet das mit den physikalischen Eigenschaften des Wasserballs: „Da kannst du gar nicht untergehen, als ältestes olympische Ballsportart sowieso nicht.“

Der Abwärtstrend der Wasserballer bei Olympia, WM und EM:

International spielen die deutschen Wasserballer schon länger kaum noch eine Rolle. Der Niedergang des Europameisters von 1981 sowie 1989 und des Olympia-Dritten von 1984 spiegelt sich auch in den Resultaten der vergangenen Großereignisse wieder.

Olympia:


 2016 nicht qualifiziert
 2012 nicht qualifiziert
 2008 10.
 2004 5.
 2000 nicht qualifiziert

Weltmeisterschaften:


 2015 nicht qualifiziert
 2013 Achtelfinal-Aus
 2011 8.
 2009 6.
 2007 8.

Europameisterschaften:


 2016 11.
 2014 9.
 2012 5.
 2010 6.
 2008 6.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort