Prozess Drogen und Lebensprobleme

Trier · Mildes Urteil des Landgerichts für einen 20-Jährigen, der beim Drogendeal erwischt worden war.

 Das Landgericht in Trier.

Das Landgericht in Trier.

Foto: TV/Friedemann Vetter

Der schmale 20-Jährige auf der Anklagebank mit sorgfältig gelegtem Kurzhaarscheitel wirkt gepflegt. Sein Outfit ist unauffällig. Einzige Zuhörerin im Saal ist seine junge Freundin, die angespannt die Verhandlung der Ersten Großen Jugendkammer verfolgt. Erst vier Stunden später wird sich diese Anspannung legen: Zwei Jahre muss sich der junge Mann unter Auflagen bewähren und beweisen, das von seinem Drogen-Irrweg abgekommen ist.

  Den Anfang setzt Staatsanwalt Arnold Schomer mit der Anklage: Der 20-Jährige soll 2017 viermal jeweils mindestens 40 Gramm Marihuana in Luxemburg erworben und gewinnbringend an Freunde in Deutschland weiterverkauft haben. Anfang August 2017 geriet er im Auto seiner Mutter mit fast 100 Gramm Marihuana im Rucksack in eine Verkehrskontrolle der Polizei Bitburg. Bei der anschließenden Durchsuchung des Wagens fand sich unter dem Vordersitz zudem ein beidseitig geschliffenes Messer mit elf Zentimeter langer Klinge. Das lässt sich strafverschärfend als bewaffneter Drogenschmuggel/-handel auslegen.

Er wolle dazu sprechen, sagt der 20-Jährige, auch wenn „nicht alles in dieser Anklageschrift 100 Prozent richtig ist“. Aufgewachsen ist er nicht gerade unter den besten Voraussetzungen: Eltern geschieden, als er zwölf Jahre alt war, Vater Alkoholiker, ständiger Wohnungswechsel. Erst vom Vater – „der wollte mich wie einen Gefangenen halten“ – zur Mutter, mal zur Schwester oder zum einem Kumpel. Inzwischen lebt er mit der Freundin zusammen, was ihm offenbar Stabilität verleiht. Unstet verlief auch sein bisheriger Werdegang: Grundschule in Luxemburg und Wolsfeld, Realschule in Irrel, Internat in Belgien mit Abschluss zur Berufsreife, abgebrochene Lehre, danach ständig wechselnde Aushilfsstellen. „Ich fühle mich in keinen Beruf rein, weiß einfach nicht, was mir gefällt“, sagt er.

Und wie es mit Alkohol und Drogen aussehe, will der Vorsitzende Richter Günther Köhler wissen. Alkohol sei bei ihm kein Thema, so die Antwort, aber 2017 habe es mit dem Marihuana angefangen. Und dann steigt er in eine Art Grundsatzdiskussion ein: „Ich habe das Marihuana nur für meine Kumpels gekauft und zum Selbstkostenpreis an die weitergegeben. Allerdings können besagte Kumpels nicht als Zeugen geladen werden, weil er sie nicht nennen will. Rund vier Monate habe er 2017 selbst konsumiert, räumt er ein. Beinhaltet der Begriff „Verkauf“ zwangsläufig ein Gewinnstreben, oder ist auch die Weitergabe zum Einstandspreis ein Art Verkauf? So sieht es Verteidiger Stefan Zenzen, doch Staatsanwalt Schomer auf der Gegenseite interpretiert Verkauf gleich Streben nach Gewinn. „Er hat immer von Verkauf gesprochen“, erklärt eine Polizeibeamtin aus Bitburg. Kooperativ sei er gewesen, habe sogar vier weitere Marihuana-Transaktionen eingeräumt, von denen man sonst nie erfahren habe. Und das Messer im Auto? Der 20-Jährige „Das ist ein Erbstück meines Opas und war bei meinen Umzügen immer zwischen meinem Zeugs mit dabei. Wusste gar nicht, dass es noch im Auto meiner Mutter lag.“ Schließlich beendet Vorsitzender Köhler die Messerdiskussion mit dem Rechtshinweis, dass auch eine Verurteilung wegen einfachen Drogenhandels ohne Waffe möglich sei – aus Mangel an Beweisen. Nelly Bast von der Jugendprozesshilfe zeichnet ein zwiespältiges Bild des Angeklagten: Die soziale Prognose? Na ja – „er ist aufgrund seiner familiären Vorgeschichte irgendwie noch nicht angekommen, hat aber nun ein soziales Umfeld, das ihn auffängt“. Auch in seiner Entwicklung sei er dadurch soweit zurückgeblieben, dass sie für den 20-Jährigen eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht empfehle.

Ähnlich sieht es auch der Staatsanwalt, dessen Schlusswort streckenweise einem Verteidigerplädoyer gleicht. Schomer beantragt ein Jahr Jugendstrafe, zwei Jahre Bewährung unter Aufsicht, eine viermaliges Drogenscreening (Untersuchung auf erneuten Drogenkonsum) und 100 Stunden soziale Arbeit. Und er sagt: „Das ist nicht der typische Dealer, mit dem wir sonst in der Jugendkammer zu tun haben.“ Verteidiger Zenzen sieht daher einen minderschweren Fall und beantragt soziale Arbeit und eine Geldstrafe, sobald er einen eigenes Einkommen habe.

Die Kammer entscheidet nach Jugendstrafrecht, sieht aber Drogenhandel mit Gewinnstreben. Zwei Jahre hat der junge Mann nun die Chance, sich zu bewähren. Er muss vier Drogenscreenings absolvieren, 100 Stunden gemeinnützige Arbeit in Luxemburg ableisten und wird einem Bewährungshelfer unterstellt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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