Gesellschaft

Zum Artikel "Sechser im Lotto - Flucht oder Segen" (TV vom 17. Oktober) und zur Frage, ob Geld glücklich macht:

Da gewinnt jemand 90 Millionen Euro. Na, das Glück hätte jeder gern gehabt. Vernünftigerweise wäre damit schon alles gesagt. Aber es geht ja nicht vernünftig, sondern moralisch zu, sodass die Redaktion die entsprechende Keule auspackt und - assistiert von einschlägigen Wissenschaftlern - loslegt. Gut, die Überschrift geht schon mal daneben, weil, wie Freud sagt, zwei Absichten beim Schreiben durcheinandergegangen sind. Zum einen der aus der Schule bekannte Besinnungsaufsatz, der mit gediegenem "sowohl als auch" Fluch und Segen abwägt und zum anderen hätte der Redakteur - wären ihm die Millionen passiert - die Flucht auf die Bahamas oder sonst wohin angetreten. Was dann folgt, ist die Ausschmückung der Erkenntnis meiner Oma, die nicht müde wurde zu betonen, dass "man nicht alle Tage Kuchen essen kann". Da gibt es also einen Wissenschaftler, der sein Geld mit Weisheiten wie der verdient, dass bis zu 60 000 Euro pro Jahr glücklich machen können, mehr nicht. Nun hat er zwar nicht dazu gesagt, ob brutto oder netto, aber die Botschaft ist klar: Allzu viel ist ungesund, jeder "zusätzliche Euro bringt kaum mehr Lebenszufriedenheit". Ihm zur Seite tutet ein Glücksforscher (was es alles gibt) ins gleiche Horn, der überraschend herausgefunden hat: "Geld schafft eine gewisse Freiheit", und "die muss man auch nutzen". Jetzt sagt er zwar nicht, was das Gewisse an der gewissen Freiheit ist, aber vielleicht meint er ja nur, dass man mit Geld Sachen und auch heiklere Dinge kaufen kann und das auch tun soll. Der Maßstab, unter dem der Lottogewinn betrachtet wird, heißt "Glück". Nun kann zwar jeder auf Befragen aufsagen, dass "Geld nicht glücklich macht", aber umgekehrt gilt das genauso: Kein Geld macht auch nicht glücklich. Daraus folgt, dass es um Glück gar nicht geht. Das weiß auch jeder, dass Glück das Ideal ist, hinter dem man in der Gewissheit her ist, dass man es nicht erreicht und so darauf verwiesen ist, sich die seltenen Momente, wo mal wirklich alles gut läuft, als Glück schönzureden. Im Übrigen gilt: Lieber arm, anständig und mit Ehrenamt als unverdient reich. Übrigens: Es könnte sein, dass sich alle Beteiligten ganz überflüssige Sorgen gemacht haben. Nach völlig unbestätigten Meldungen hat die Kohle ein schwäbischer Multimillionär gewonnen, der darob - weil mehr als 60 000 - in eine tiefe Depression gefallen ist.. Rolf Richter, Schöndorf

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